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Elegie - Fluch der Götter

Elegie - Fluch der Götter

Titel: Elegie - Fluch der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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alte Mulprek hatte recht. Es gab keine besseren Jäger als die Kaldjager. Auch wenn sie weder die Schnelligkeit der Gulnagel noch die Kraft der Tungskulder besaßen, waren sie doch schneller und stärker als alle anderen Stämme. In den Augen der Fjel waren die Kaldjager seltsam und einsiedlerisch, denn sie lebten in umherziehenden Sippen statt in richtigen Höhlen, aber auf der Jagd waren sie unermüdlich und vollkommen erbarmungslos. Nicht einmal Heerführer Tanaros konnte ihre Fähigkeiten verbessern. Wenn die Kalten Jäger es nicht schafften, dann schaffte es niemand.
    »Also gut.« Skragdal bückte sich, hob den Kadaver des Bockes auf und warf ihn sich über die Schulter. Der Kopf des Tieres rollte hin und her, und Blut tropfte langsam aus der zerfetzten Kehle. Diese feine, sauber erlegte Jagdbeute war ihm noch vorhin wie ein
Geschenk erschienen, doch nun war dieses Geschenk verdorben. Er fühlte sich seltsam betrogen und starrte die anderen Fjel an. »Warum ist es so schwer, diese kleinen Leute umzubringen?«
    Lange sagte niemand etwas darauf.
    »Macht Euch keine Sorgen, Anführer.« Blågen durchbrach die Stille mit der furchtlosen Unbekümmertheit der Kalten Jäger. »Wir finden sie.«
    »Das solltet ihr auch«, meinte Skragdal grimmig. »Es ist das Einzige, worum der Fürst uns gebeten hat.« Er hielt Blågens Blick stand, bis der Kaldjager blinzelte. »Zurück zum Sammelplatz der Sippe«, sagte er. »Dort verteilen wir unsere Ausrüstung.«
    »Und dann gehen wir auf die Jagd?«
    »Ja«, grunzte Skragdal und verlagerte das Gewicht des Bocks auf seiner Schulter. »Wir ziehen nach Neherinach und stellen eine Falle.«
     
    Sie warteten in der großen Halle auf Lilias.
    Sonnenlicht strahlte durch die großen Fenster auf allen Seiten und glitzerte auf dem polierten, bernsteinfarbenen Holz des langen Tisches und dem weißen Marmorfußboden mit seinem verschlungenen Muster aus blassen blauen Adern. Mitten auf dem Tisch stand ein vergoldeter Kasten mit eingelassenen Edelsteinen. Zwischen den Fenstern hingen Wimpel an vergoldeten Stangen. Die klaren Fenster waren mit schmalen Scheiben aus meerblauem Glas eingerahmt, und das schräg einfallende Sonnenlicht warf himmelblaue Balken quer durch den Raum.
    Für Lilias sah es wie eine sehr schöne Gefängniszelle aus.
    Ingolin der Weise hatte das Kopfende des Tisches eingenommen, Malthus der Gesandte saß rechts und Aracus Altorus links neben ihm. Die anderen waren Ellylon. Lorenlasse von Valmaré kannte sie, die übrigen nicht, auch wenn ihr die Gesichter allesamt vertraut waren. Eine der Ellylon war eine Frau, die aus der Nähe betrachtet so schön war, dass Lilias hätte weinen mögen.
    Doch unter dem Gewicht ihrer Blicke erstarrte die Zauberin in der Tür.

    »Geht weiter«, flüsterte Blaise ihr von hinten zu. Er deutete auf einen leeren Stuhl an einer Seite des Tisches, der ein wenig abseits von den anderen stand. »Setzt Euch.«
    Lilias holte tief Luft und betrat den Raum. Dabei schritt sie über die Balken aus blauem Licht. Sie zog den Stuhl hervor, nahm Platz und warf einen Blick zurück auf Blaise. Er hatte sich wie ein Wächter neben die große Tür gestellt. Hoch über ihm in dem Giebel, der sich über der Tür wölbte, befand sich die einzige Unvollkommenheit des Zimmers: ein zerschmettertes Marmor-Relief, das früher einmal das Antlitz von Meronin dem Fünftgeborenen, dem Herrn der Meere dargestellt hatte.
    Diese Erinnerung rief Schmerz hervor – den zersprengenden Schmerz, den sie erfahren hatte, als dieses Relief zerstört worden war, aber es stellten sich auch andere Erinnerungen ein. Lilias hob das Kinn ein wenig und wagte es, die Versammelten anzusehen.
    »Lilias von Beschtanag«, sagte Ingolin. »Ihr seid hierher gebracht worden, damit wir einander kennenlernen.«
    »Bin ich hier, damit mir der Prozess gemacht wird, Herr?«, wollte sie wissen.
    »Nein.« Seine Stimme klang düster und ernst. »Wir suchen allerdings nach der Wahrheit. Wir wollen nicht strafen, sondern nur wissen. Ob es Euch gefällt oder nicht, Ihr seid Gast in Meronil, und ich bürge für Euer Wohlergehen.« Er deutete auf den beschädigten Giebel. »Ihr seht hier ein Werk von Haergan dem Kunsthandwerker. Ich glaube, es ist Euch nicht unbekannt, Zauberin. Habt Ihr nicht an diesem Ort zu uns gesprochen und dabei Haergans Schöpfung behaupten lassen, die Hohe Frau Cerelinde befinde sich in Beschtanag?«
    »Ja.« Sie schleuderte die Wahrheit von sich. Sollten sie doch damit machen, was sie

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