Elegie - Herr der Dunkelheit
denn du bist zu gefährlich, als dass ich dich anderswo aufbewahren könnte. Aber zuerst, ah, zuerst müssen wir noch eine Aufgabe erledigen, du und ich.«
»Fürst Satoris?« Nachdem er erst abgewartet hatte, fragte Vorax noch einmal nach, unsicher, ob seine Dienste noch gebraucht wurden.
Die Augenschlitze des Helms wandten sich in seine Richtung, und in ihnen lagen die Dunkelheit und das Leid einer sterbenden Welt. »Es ist an der Zeit, den Marasoumië zu schließen«, sagte Fürst Satoris. »Jetzt, da Malthus noch darin gefangen ist, bevor er seine Kraft wiedererlangt.«
»Jetzt? Wie aber wird dann Tanaros …«
»Jetzt!« Der Schöpfer schlug mit der geballten Faust auf die Armlehne des Throns. Unter dem Helm hatte er die Zähne in einer Grimasse gebleckt. »Begreife doch, Vorax! Aracus Altorus hat einen der Soumanië erobert! Wenn er ihn zu beherrschen lernt, könnten er und der Gesandte meines Bruders, im Besitz zweier Soumanië, die Bahnen in ihre Gewalt bringen. Wenn ich dies jetzt tue, dann bleibt Malthus gefangen, und der Sohn des Altorus wird seiner Ratschlüsse beraubt. Ist das nicht jeden Preis wert?«
Es gab nur eine Antwort, und Vorax sprach sie aus. »Ja, mein Fürst.«
»So sei es«, sagte Satoris und ergriff den Dolch mit beiden Händen. »Und du sollst mein Zeuge sein.« Unter seinem Griff wurde das Licht des Gottestöters stärker, so hell wie die aufgehende Sonne. »Ah, es brennt! Uru-Alat, wie es brennt!« Rubinrotes Licht durchflutete mit einem Schlag die Kammer, und Vorax’ gebrandmarkte Brust zog sich zusammen. Er rang nach Atem und fiel wieder auf die Knie. Er sah Satoris triumphierend dastehen, eine riesige Gestalt der Dunkelheit. Hoch über seinem Kopf pulsierte der Gottestöter in seiner Faust, und Licht flutete daraus hervor. Es war ein Splitter der Souma, erfüllt von der Kraft der Geburt der Welt. Licht schien die Knochen des Schöpfers unter seinem verhärteten Fleisch zu erleuchten und strömte aus der Wunde an seinem Schenkel.
»Mein Fürst!«, keuchte Vorax heiser. »Ich flehe Euch an!«
»Tod und Tod und Tod«, flüsterte der Schöpfer, ohne ihn zu beachten. »Oh Malthus! Haomanes Waffe, Spielfigur meines Bruders! Glaubst du, ich kenne meinen wahren Gegner nicht? Weißt du, was du in diese Welt bringst? Weißt du, wie die Geschichte endet? Oh nein! So sei es, Gesandter. Ich fessele dich an das Netz, das du gesponnen hast.« Er umfasste den Gottestöter noch fester und schrie laut auf, beschwor seinen Willen wie die Fähigkeiten eines Schöpfers und legte seine ganze Kraft hinein. »Der Marasoumië, er sei fortan versiegelt!«
Vorax, mit der Kraft des Splitters verbunden, spürte es und schloss schmerzerfüllt die Augen. Das, was er unter dem Schattenhelm in seinen Anfängen gesehen hatte, wurde nun Wirklichkeit. Tief unter der Oberfläche der Erde, in ganz Urulat, von Küste zu Küste, flackerten die Knoten auf und starben, wurden aschengrau.
Ein Teil der Welt starb und war tot.
»So«, sagte Satoris voll gehässiger Befriedigung. »Nun versuche einmal, dich daraus zu befreien, Gesandter!«
SIEBENUNDZWANZIG
T anaros’ Stiefel knirschten auf dem Sand, als er das Lager am Steinernen Hain verließ. Bei jedem Schritt schlug die Scheide seines Schwerts gegen seinen Schenkel, als wollte sie ihn an den Befehl erinnern. Die Worte seines Fürsten hallten wider in seinem Geist, und die Sonne, die auf sein Gesicht brannte, ließ seinen Kopf in dumpfem Schmerz dröhnen.
Töte sie. Töte sie ALLE!
»Heerführer?«
»Verschwinde, Speros«, sagte er, ohne hinzusehen.
»Es ist nur … Hat Fürst Satoris uns irgendwelche Befehle gegeben? Wird er die Bahnen öffnen und uns nach Hause holen? Dann könnte ich die Jungs schon zum Knoten bringen …«
» Verschwinde , Speros!«
Schließlich war er bereit, aber wie bitter war die Aufgabe! Tanaros hob den Kopf und starrte ins blendende Angesicht der Sonne. Er erinnerte sich daran, wie schön es gewesen war, ihre goldenen Strahlen in Beschtanag über dem Wald leuchten zu sehen, nach den langen Jahren in Finsterfluchts immerwährendem Dämmerlicht. Ob die Sonne immer noch auf Beschtanag schien? Er nahm es an, trotz allem, was dort geschehen war. Hier erschien sie ihm noch näher, hier, wo Haomanes Zorn die Erde bei der Verfolgung Satoris’ versengt hatte. Wie war es wohl, mit einem solchen Übermaß von Licht zu leben?
Nackte Füße kamen geräuschlos über den Wüstenboden. »Königsmörder.«
»Ngurra.« Tanaros sah zur Sonne
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