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Elegie - Herr der Dunkelheit

Elegie - Herr der Dunkelheit

Titel: Elegie - Herr der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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nichts da , oder falls doch, dann war es so riesenhaft, so weit entfernt, dass er es nicht erfassen konnte. Der Weg zurück war verschwunden, das dünne Band, das ihn mit sich selbst verband, hatte vielleicht niemals existiert. Es gab nur eine alles umfassende, lichtlose Leere. Tiefer und tiefer stürzte er, ein winziger Stern im Universum der Dunkelheit. Es gab keine Grenzen. Es würde kein Ende geben, nur endloses Fallen.
    Abgespalten von sich selbst, formte Uschahin einen lautlosen Schrei …

    … und fiel …
    … und fiel …
    … und fiel …
    Etwas flackerte an den unbegreiflichen Rändern des Drachenverstandes auf, ein einzelnes Etwas; nein, es waren viele. Winzig und drängend und widerspenstig stürzten sie wie eine Wolke aus Mücken auf ihn zu, ein Sturm aus Klauen. Gefiederte, gehetzte Gedanken, die nach den seinen griffen. Gelbe Buchenblätter, schimmernde schwarze Käfer, ein Luftzug unter den Flügeln und das Flickwerk der sich neigenden Erde tief unter ihnen.
    Die Raben von Finsterflucht kamen, um ihn zu retten.
    Von dieser Art waren die Gedanken, die sie wie Rettungsleinen nach Uschahin Traumspinner auswarfen, denn sie waren letztlich immer noch Raben. Es reichte. Er klammerte sich an die dünnen Bänder ihres Bewusstseins, bremste den endlosen Fall und wob sich ein Netz, eine Leiter aus den Gedanken der Raben, und dann flüchtete er aus der Dunkelheit – dorthin, woher er gekommen war.
    Hinter ihm ertönte das Gelächter des Drachen.
    Die Welt kehrte wieder, und er kehrte in sie zurück.
    Uschahin öffnete die Augen und stellte fest, dass er auf dem Rücken im Kahn lag und halb vom Bilgewasser durchweicht war. Über ihm hing der Kopf des Drachen von seinem langen, sehnigen, gebeugten Hals herab und verdeckte einen großen Teil des Himmels. Dahinter entdeckte er die Raben, die ihre wilde Ellipse nun verließen, um es sich in den hohen Zweigen des Palodusbaumes gemütlich zu machen. Zwar dröhnte sein Kopf wie eine Trommel, aber Uschahin schickte ihnen Gedanken der Dankbarkeit. Zufrieden putzten die Raben ihr Gefieder.
    »Weise Menschen«, grollte der Drache, »spielen keine Spiele mit Drachen.«
    Mit Mühe richtete sich Uschahin auf, bis er auf der Bank am Heck des Kahns zu sitzen kam, und ruhte sich aus, die Arme auf die Knie gestützt. Angesichts der Tatsache, dass er noch am Leben war und unversehrt, erfasste ihn ein seltsames Gefühl der Heiterkeit. Er atmete probeweise tief ein, füllte seine Lungen ganz bewusst
mit Luft und widmete sich dem Wissen, Lungen zu haben, die Luft brauchten. »Das ist wahr«, sagte er, als er den Versuch erfolgreich abgeschlossen hatte. »Aber ich bin kein Mensch, und man hat mich wohl schon als verrückt bezeichnet, jedoch noch nie als weise. Ältere Schwester …« Er verbeugte sich nun tief aus der Hüfte. »Vergebt mir meine Dummheit.«
    »So.« Die Drachin betrachtete ihn erheitert. »Du hassst also ein wenig Weisssheit erlangt.«
    »Ein wenig.« Uschahin legte die Arme um die Knie und erwiderte den Drachenblick. »Calanthrag die Älteste, Mutter der Drachen. Ich bin ein Narr, das stimmt. Aber sagt mir, wieso hier, im Herzen des Deltas?«
    Schwefeldämpfe drangen hervor, als die Drachin schnaubte. »Kind dreier Rassen, Niemandes Sohn. Kein Mensch, und doch ein Mensch. Du leugnest dein eigenes Verlangen. Leugnest du auch die Macht dieses Ortes, wo Satorisss der Drittgeborene sich einssst erhob?«
    »Nein, Mutter.« Uschahin hustete kurz und vertrieb mit der Hand die Dämpfe. Er schüttelte ernst den Kopf und fühlte, wie sein strähniges silbernes Haar über seine Wangen strich. »Nicht die Macht, nur das Verlangen.«
    »Wieso?« Die Stimme der Drachin war sanft vor Schläue. »Antworte.«
    Sie hatte zugelassen, dass er sie Mutter nannte, hatte es nicht zurückgewiesen! Das war ihm seit dem Tod der Graufrau Sorasch, deren Nachfolgerin ihn verstoßen hatte, nicht mehr geschehen. Uschahin umarmte den Gedanken und versuchte, ehrlich zu antworten. »Weil ich Haomanes Kinder mehr verabscheue als alle anderen, für ihre Feigheit, die sie dazu brachte, mich im Stich zu lassen, und für meine Zeugung«, sagte er. »Und ich werde nicht zulassen, dass mein Fleisch dazu dient, ihnen die Gabe von Fürst Satoris zu bringen.«
    »So.« Die Drachin machte ihren sehnigen Hals flach und legte den Stachelkamm wieder an, als sie ihren eisengrauen Kopf über ihm schweben ließ. »Du erkennssst dasss grossse Muster hinter allen Dingen?«

    »Vielleicht«, sagte Uschahin

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