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Elegie - Herr der Dunkelheit

Elegie - Herr der Dunkelheit

Titel: Elegie - Herr der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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Lenden. Es war ein seltsames Gefühl, so seltsam, dass er einige Minuten brauchte, um zu erkennen, dass es die Fleischeslust war.
    So ein Verlangen! Er schwoll an davon. Ein Bild, ungebeten, von der Hohen Frau der Ellylon, drängte sich in seinen Kopf. Cerelinde, die über den Sattel gelegt worden war, sodass die Spitzen ihres blonden Haars den Boden berührten.
    »Oh«, sagte Uschahin und biss die Zähne zusammen. »Das ist doch unmöglich.«
    Zähe Blasen stiegen in dem trüben Wasser vor ihm auf, stiegen auf und zerplatzten, wobei sie ein Lachen ertönen ließen, langsam und tief. In den Zweigen erhoben sich jammernd in einer Wolke schwarzer Federn die Raben. Über der Wasseroberfläche öffnete sich ein Paar grünlicher Augen, schmale Schlitze mit einer vertikalen Pupille, die vom dünnen Film eines inneren Lids überzogen waren.
    Von plötzlicher Angst ergriffen, trieb Uschahin den Kahn zurück.
    Eisengrau und dick mit Moos bewachsen erhob sich der Kopf des Drachen aus dem Wasser. Er war doppelt so groß wie das Boot, und
Schlamm troff von ihm herab. Tropfen rannen von seinem bärtigen Kiefer, klatschten ins Wasser und lösten kreisrunde Wellen aus. Er bewegte ein unsichtbares Vorderbein, dann noch eins, und Uschahin musste darum kämpfen, seinen Kahn im Gleichgewicht zu halten, als der Sumpf in Bewegung kam. Die inneren Lider des Drachen zwinkerten voll träger Erheiterung, als das Geschöpf ihn betrachtete, und es wartete, bis sich die Wasser beruhigt hatten und Uschahin sein Boot wieder in der Gewalt hatte. Erst dann teilten sich die riesenhaften Kiefer, auf beiden Seiten mit verrottenden Pflanzen behangen, um zu sprechen.
    »Issst dir diesss Verlangen so unangenehm, kleiner Bruder?«
    Uschahin legte den Staken über den Bug seines Bootes und verbeugte sich vorsichtig. »Ältester«, sagte er. »Vergebt mir, edler Drache. Ich wusste nicht, dass Ihr hier seid.«
    Über seinem Kopf kreisten die Raben und jammerten.
    Der Blick des Drachen blieb auf ihn gerichtet, und nun blinzelte er nicht. »Du trägssst das Zeichen von Satorisss. Du bist einer der Seinen. Du hassst meinen Bruder gesehen und weissst von seinem Schicksal.«
    »Ja«, sagte Uschahin ruhig. »Calandor von Beschtanag ist nicht mehr.«
    Der Drache wandte den Kopf ab und seufzte. Ein Schwall blauer Flammen schoss aus seinen tropfenden Nüstern, tanzte unheimlich über das ölige Wasser und setzte eine Mangrove in Brand. Ein einzelner Baum flackerte auf, schwarz und skelettartig in seiner Feuerhülle. Die kreisenden Raben krächzten und fanden sich in einiger Entfernung wieder zusammen. In dem Kahn griff Uschahin nach seinem Staken.
    »Frieden, kleiner Bruder.« Der Drache betrachtete ihn voller Trauer. »Ich will dir nichts Bösesss, noch nicht. Calandor wählte seinen Weg vor langer Zeit, dasss weisss ich. Wir wisssen esss. Wir wisssen esss immer.« Er erschauerte, und kleine Wellen schwappten über den Sumpf und ließen das Boot auf dem Wasser schaukeln. »Doch wieso bissst du hierhergekommen?«
    »Ich bin auf der Durchreise.« Mutig geworden ritt Uschahin die
Wellen, stemmte den Staken in den Schlamm und packte ihn mit beiden Händen. »Wollt Ihr mir die Durchfahrt gewähren, Älterer Bruder?«
    »Bruder.« Unter den gelbgrünen Augen drang ein Zwillingsstoß aus Rauch hervor, als der Drache verächtlich schnaubte. »Wasss bringt dich zu dem Glauben, ich sei dein Bruder ?«
    Uschahin runzelte die Stirn und fasste den Staken anders. »Hast du mich nicht gerade ebenso genannt?«
    »Ich habe dich so genannt«, schnaubte der Drache. »Bruder!«
    »Und weiter?«
    »Würdessst du esss herausssfinden?« Die Nickhäute zuckten. »Rate.«
    Wilde Kühnheit überwältigte ihn. Was hatte er zu verlieren, hier im Delta? Ob er seine Reise fortsetzen würde oder hier starb, lag in der Hand des Drachen. Uschahin reckte den Kopf und sah in das Auge, das ihm am nächsten war. Die gelbgrüne Iris trübte sich in der riesenhaften Kugel, und die Farben verschwammen wie öliges Wasser. Die vertikale Pupille zog sich zusammen wie die einer Katze, aber größer, viel größer. Schwärzer als der Rabenspiegel, schwärzer als eine mondlose Nacht, spiegelte sie kein Licht, nur die Dunkelheit.
    Wenn er zögerte, würde er schwanken, daher tat er es nicht. Uschahin nutzte alle Fähigkeiten, die ihm die Graufrau vor langer Zeit beigebracht hatte, und glitt mit seinen Gedanken hinter diese schwarze, schwarze Pupille.
    Es war, als fiele er in einen bodenlosen Abgrund.
    Es war

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