Elegie - Herr der Dunkelheit
Abordnung seiner Leute trat in die Halle, die allesamt unter der Livree von Gerflod leichte Rüstungen trugen. »Meine Männer werden euch dorthin begleiten«, fuhr der Graf fort, »und noch ein ganzes Fass Bier für euch mitbringen!«
Ah, es ist wirklich schwierig, dachte Skragdal. Wie soll ich ihre Gelüste in die Schranken weisen, wenn uns doch Neheris so geschaffen hat? Ich bin nicht Heerführer Tanaros, der das hohe Lied auf die Disziplin singt. Er ist einer der Drei. Von seinen Lippen erklingt dieses Lied ruhmreich, von den meinen wäre es eine Lüge. Muss ich verraten, was ich bin, um meine Brüder zu befehligen?
Um ihn herum brachen die Fjel in gut gelauntes Gebrüll aus und erhoben sich, um Coenreds Leuten zu folgen. Sie waren schon halb aus der Tür, so sehr verlockte sie das Versprechen von noch mehr berauschendem Trunk und süßer Nachtruhe. Und wieso auch nicht? Sie hatten es sich verdient. Und dennoch, hier stand Thorun mit seinem hoffungsvollen Blick. Und dort stand der lächelnde Graf mit seinem glatten Bart und seinem gekämmten Haar, dem die stinkende Lüge aus dem Mund kam.
Skragdal seufzte und erhob sich von seinem Stuhl. Dann beugte er sich über den Tisch, stützte sich auf den Fingerknöcheln auf, holte tief Luft und bellte: »Osric!« Er war keiner der Tordenstem, die ihre Feinde allein mit ihrer Donnerstimme bis ins Mark erschüttern konnten, aber auch der Ruf eines Tungskulder-Fjel konnte von Menschenhand errichtete Dachbalken erzittern lassen. Im angsterfüllten Schweigen, das darauf folgte, erklärte Skragdal schlicht: »Wir müssen reden.«
Es war eine seltsame Situation. Die glatte Maske des Grafen bekam Risse und zeigte Angst und Ärger. Er machte seinen Männern ein verstecktes Zeichen, und diese beeilten sich daraufhin noch mehr, die Fjel aus der großen Halle zu drängen. Skragdal nickte Thorun zu, ohne dass er dabei laut sagen musste, was er dachte. Osric war vor Verlegenheit rot angelaufen und kam auf den Tisch zu. Obwohl sein
Kopf nur bis zu Skragdals Schlüsselbein reichte, packte seine Hand hart den Arm des Fjel, und dann zog er ihn in die entlegenste Ecke des Eingangsbereichs der großen Halle. »Das sind unsere Gastgeber , Tungskulder!«, zischte er unterdrückt. »Erweise der stakkianischen Höflichkeit ein wenig mehr Respekt, ja?«
»Osric.« Skragdal achtete nicht auf den aufdringlichen Griff des Stakkianers und senkte seine Stimme so weit wie möglich; sie klang, als würden große Felsen aneinandermahlen. »Dieser Graf lügt.«
Osric stieß ungeduldig die Luft aus und roch dabei nach Bier. »Inwiefern?«
»Er weiß Bescheid.« Wie sollte er es ausdrücken? Es gab in der Sprache der Menschen keine Worte, um das zu erklären, was er wusste, oder wieso er es wusste, keine Worte, um den Geruch von Lüge, von Böswilligkeit hinter einem glatten Lächeln oder von drohender Gefahr zu erklären. »Mehr, als er zugibt. Osric, wir sollten diesen Ort verlassen. Jetzt. Heute.«
»Das reicht.« Die Stimme des stakkianischen Hauptmanns war scharf. Er löste seine Finger von Skragdals Arm, trat einen Schritt zurück und reckte den Hals, um den Fjel anzusehen. »Unsere Wege trennen sich bei Neherinach, Tungskulder. Bis dahin stehst du nach Anordnung von Fürst Vorax unter meinem Befehl. Deine Fjel haben Finsterflucht heute Abend schon genug blamiert. Geh mit ihnen und halte sie in Schach. Rücke den Fürsten nicht noch mehr in schlechtes Licht, indem du unseren Gastgeber beleidigst.«
Skragdal blähte die Nüstern und roch die Lüge. »Osric!«
»Geh!«
Er wartete.
»Geh!«
Mit einer kurzen Verbeugung wandte sich Skragdal ab. Hinter sich hörte er, wie einer der Männer des Grafen eine beißende Bemerkung machte und Gelächter hervorrief; dann ertönte Osrics Stimme, die gleichzeitig geringschätzig und entschuldigend klang: »Was kann man da erwarten? Sie sind schließlich kaum mehr als wilde Tiere. Aber der Fürst hat darauf bestanden. Wir brauchen die Stämme, das wisst Ihr doch.«
Es ärgerte ihn und ließ die Haut über seiner Wirbelsäule prickeln. Skragdal bahnte sich den Weg durch die Flure des Wohnturms von Burg Gerflod, vorbei an den erschreckten Wächtern des Grafen, und gelangte schließlich nach draußen. In dem engen Burghof war es ruhig. Tief sog er die Nachtluft ein, füllte seine Lungen und versuchte, ruhig zu werden. Er hatte mehr von Osric gehalten. Das war sein Fehler. Stakkia war nicht Finsterflucht. Hier herrschte ein anderes Gleichgewicht. Arahilas
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