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Elegie - Herr der Dunkelheit

Elegie - Herr der Dunkelheit

Titel: Elegie - Herr der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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ihm auf die Stirn. Er drohte seine glatte Maske allmählich zu verlieren, und der saure Geruch schlecht verborgener Furcht lag in der Luft. Skragdal sah weg. Erleichtert rief der Graf mit lauter Stimme nach mehr Bier, noch mehr Bier. Wieder kreisten die frisch gefüllten Krüge, die von einer Prozession nervöser Diener hereingetragen wurden. Sie zumindest gaben sich keine Mühe, ihre Angst zu verstecken.
    »Sollten wir sie töten?«, fragte Thorun schlicht.
    Es war eine schwere Entscheidung. Hyrgolf, dachte er, würde zustimmen; er würde nicht zögern, der Nase eines Tungskulders zu vertrauen. Und Heerführer Tanaros? Nein, dachte Skragdal. Er würde es zwar ebenfalls sofort glauben, aber er würde nicht zur Gewalt gegen einen Verbündeten greifen, der ihn nicht offen verraten hat. Und außerdem wird sich Osric nicht allein auf mein Wort hin gegen einen anderen Stakkianer wenden. Ich kann mich nicht auf seine Unterstützung verlassen.
    Damit blieben nur die Fjel.
    Während große Platten hereingebracht wurden, auf denen hoch aufgetürmt Hammelfleisch dampfte, ließ Skragdal den Blick über seine Kameraden streifen. Sie stürzten sich mit Klauen und Zähnen auf das Essen und versetzten die Dienerschaft des Grafen in Angst und Schrecken. Die Nåltannen hatten schon viel getrunken und hoben weiter ihre Humpen, Bier und Hammel abwechselnd genießend. Die Gulnagel aßen, was sie in sich hineinstopfen konnten, schmierten sich das Fett über die Backen, als sie die Fleischstücke mit beiden Händen packten und kauten und abbissen, die Augen vor Genuss halb geschlossen.
    So war es die Art der Fjel – zu fressen, bis sie voll waren. So diktierte es das Leben Neheris’ Kindern, die in einem harten Klima aufwuchsen, wo die Fülle des Sommers unvermeidlich von einem kargen Winter abgelöst wurde. Es war eine Frage des Überlebens.
    Beunruhigend aber war dabei, dachte Skragdal, dass Graf Coenred das wusste. Dieses überreichliche Mahl war absichtlich serviert worden. Er beobachtete, wie sich seine Kameraden vollfraßen, und grübelte über den zufriedenen Gesichtsausdruck nach, der sich langsam
und glatt auf die Züge des Grafen legte. Wie standen ihre Chancen? Es waren sechzehn Fjel in der Großen Halle von Burg Gerflod, und alle waren unbewaffnet. Ihre Waffen und Rüstungen lagen in dem Stall, den man ihnen als Unterschlupf zugewiesen hatte; ein geschickter Schachzug. Wie viele Männer waren es? Coenred hatte sicherlich zweihundert innerhalb seiner Mauern.
    Es war natürlich trotzdem zu machen. Skragdal reckte die Schultern und spreizte seine Krallen, fühlte die eigene Stärke. Er hatte in den Minen und an den Schmelzöfen gearbeitet. Er kannte die Schwachpunkte von Metall, die Stellen, an denen Rüstungen am ehesten zu biegen und zu brechen waren. Mit seinen Krallen konnte er sie von einem Menschen abpellen, Stück für Stück. Menschen waren weich, das hatte Heerführer Tanaros ihnen beigebracht. Sie starben leicht, sobald ihr weiches Fleisch ungeschützt war.
    »Anführer?« In Thoruns rot geränderten Augen lag ein Hoffnungsschimmer.
    Zögernd schüttelte Skragdal den Kopf. »Nein. Lügen fällt den Menschen leicht. Wir haben keinen Beweis dafür, dass sie uns deswegen etwas Böses wollen«, sagte er leise. »Heerführer Tanaros würde hier Beweise fordern. Aber ich werde Osric davon erzählen.«
    Das stellte sich als schwieriger heraus, als er gedacht hatte. Nachdem das Essen verzehrt worden war, stand Graf Coenred auf, den Humpen in der Hand. Er hielt auf Stakkianisch eine elegante Rede über die treue Ergebenheit Gerflods gegenüber Finsterflucht, jene lange Vereinbarung, die Stakkia so nahe an der Grenze zum Land der Fjel Wohlstand und Frieden gebracht hatte. Er pries Osrics Eifer und versprach die Hilfe Gerflods für sein Unterfangen. Mit viel Aufhebens dankte er den Fjel für ihre unermüdliche Kühnheit und Unterstützung. »Und ich hoffe, dass ihr meine Gastfreundschaft heute Abend als armseligen Ausdruck dieser Dankbarkeit genossen habt«, setzte er hinzu.
    Die Nåltannen brüllten begeistert ihre Zustimmung und schlugen mit den Humpen auf die Tische.
    Ich hätte sie nicht so viel trinken lassen sollen, dachte Skragdal.
    Graf Coenred hob die freie Hand und bat um Ruhe. »Ich möchte
mich dafür entschuldigen, dass Gerflod keine Gemächer zu bieten hat, um euch angemessen unterzubringen, aber Hauptmann Osric hat mir versichert, dass der Stall, den wir zur Verfügung stellen, genügen wird«, sagte er. Eine

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