Elegie - Herr der Dunkelheit
Du wirst dessen gewahr werden, bevor alles zu Ende ist.«
»Wenn du es sagst, Vetter.« Tanaros zog die Hand wieder weg und runzelte verblüfft die Stirn. Vielleicht hatte die Trauer den Irrsinn des Traumspinners noch verschlimmert. »Ihr Leben war Gabe genug.«
Uschahin verzog das Gesicht und zeigte die Zähne. »Für mich auf alle Fälle.«
Die sechs Sippen der Yarru-yami, der Versengten, der Kinder des Zorns von Haomane, besprachen die Angelegenheit zwei Tage lang. In den kühlen Stunden des frühen Morgens und den lauen Stunden der Dämmerung berieten sie sich, und jedes Mitglied hatte eine festgelegte Zeit, um in die Mitte des Steinernen Hains zu treten und zu reden, oberhalb jener Felsen, an denen der Brunnen der Welt gelegen war.
Die Beratung drehte sich um einen einzigen Yarru, um jenen, der die Entscheidung treffen musste.
Er war jung, der Träger, dem Jugendalter noch nicht entwachsen. Für einen Mann seines Volkes war er von durchschnittlichem Wuchs, sein Kopf reichte dem Gesandten knapp bis zur Schulter, und dickes schwarzes Haar fiel ihm über die Schultern. Glänzend dunkle Augen beherrschten sein offenes, vertrauensvolles Gesicht, als er sich alle Mühe gab, den vielen Argumenten zu lauschen und alles abzuwägen, was gesagt wurde. Er war flink und gelenkig, wie es die Art der Yarru war, mit nackten, vom Wüstenboden schwieligen Füßen und braunschwarzer Haut. Es war das Zeichen seines Volkes, der Versengten, die unversehens Opfer von Haomanes Zorn geworden
waren – abgesehen von seinen Handflächen, die eine rosafarbene Haut hatten, von tiefen Linien durchzogen.
Wenn er sie aneinanderlegte und mit seinen Händen eine Schüssel formte, trafen sich diese Linien genau in der Mitte, um einen strahlenden Stern zu ergeben. Das war das Zeichen des Trägers.
Er war siebzehn Jahre alt, und sein Name lautete Dani.
»Kann er den Eimer heraufziehen?«, hatte Blaise Caveros geradeheraus gefragt.
»Ja, Hüter.« Der alte Ngurra schob sich ein Stück Gamal in seine Wange und sah den Altorianer an. »Er ist der Träger. Das ist von Geburt an seine Bestimmung, das Wasser des Birru-Uru-Alat zu tragen, das so schwer wiegt wie das Leben. Aber ob er es tun wird oder nicht, das entscheidet er selbst.«
Und so hatte die Beratung begonnen.
Malthus der Gesandte machte den Anfang. »Dani von den Yarru«, sagte er und stützte sich auf seinen Stab. »Du hast den roten Stern gesehen, das Zeichen des Krieges. Im Westen wächst das Heer des Weltenspalters, und Tausende und Abertausende von Fjeltrollen treten in seinen Dienst. Bald wird er wie eine mächtige Flut über uns kommen, denn es ist sein Wille, Urulat in seiner Gänze zu beherrschen und seinen Bruder, Haomane den Erstgeborenen, den Gedankenfürsten, den Willen Uru-Alats herauszufordern.« Der Gesandte verzog grimmig das Gesicht und zog die buschigen Augenbrauen zusammen. »Wir können kämpfen und sterben, wir, die Haomane und dem Licht der Souma treu ergeben sind und die wir wünschen, Urulat wieder vereint zu sehen. Wir werden kämpfen und sterben. Aber letztlich gibt es nur eines, was Satoris Fluchbringer aufhalten kann.«
Mit seinem Stab deutete er auf die aufgetürmten Felsen in der Mitte des Steinernen Hains. »Dort«, sagte er, »liegt das Wasser des Lebens. Nur dieses Wasser kann das Feuermark zum Erlöschen bringen, das den Dolch Gottestöter bewacht. Und du allein kannst es heraufziehen, Dani von den Yarru. Du allein kannst es tragen. Du bist das Gefäß, ein Teil der Prophezeiung Haomanes, das Unbekannte, das bekannt wird.« Der Gesandte breitete die Arme aus.
Der Soumanië schimmerte rot auf seiner Brust, umgeben von seinem wallenden Bart. »Es ist eine schwere Bürde«, fuhr er fort, »das Wasser des Lebens ins Tal von Gargantum zu tragen, es in die Mauern von Finsterflucht selbst zu bringen und dort das Feuermark zu löschen. Wir, die wir hier vor dir stehen, Malthus’ Truppe, haben geschworen, dir auf jedem Schritt des Weges zu helfen. Aber letztlich liegt das Schicksal Urulats in deinen Händen, Träger. Triff deine Wahl.«
So hatte es begonnen.
Viele andere sprachen, und von der Gemeinschaft verstand nur Malthus die Sprache der Yarru, die er viele Jahre lang studiert hatte in dem Bestreben, die Prophezeiung zu entschlüsseln. Und was er verstand, behielt er für sich in den Tagen, die nun folgten.
Als alles gesagt war, traf Dani der Träger seine Entscheidung.
ACHT
J a?« Lilias lehnte sich gegen die seidenen Kissen und wandte dem
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