Elegie - Herr der Dunkelheit
Augen, aus denen eine weiße Flamme schien, erhörten die ellylischen Toten Cerelindes Gebet; der Lärm einer uralten Schlacht erscholl, als sie heranritten, und darüber legte sich ein von Trauer durchdrungenes Heulen.
»Tungskulder-Fjel!« Irgendwo brüllte Hyrgolf. »Bildet ein Karree! Kaldjager! Auf die Jagd!«
Tanaros fluchte wieder, als ihm die Zügel von Cerelindes Ross aus der Hand glitten, ebenso wie Uschahins Handgelenk. Er zog sein pelmaranisches Schwert, als ein geisterhafter Krieger auf ihn anlegte, und schlug hart zu. Seine Klinge fuhr lediglich durch Nebel, und glockenhelles ellylisches Gelächter erklang, leicht und bitter. Wieder und wieder. Die Schar der Numireth umringte ihn, und ihre ungreifbare Schönheit war wie bleicher Spott, der an ihm vorbeischoss,
um ihn mit geisterhaften Klingen anzugreifen. Von unerklärlichem Grauen gepackt schlug Tanaros dem Rappen die Fersen in die Seiten, ließ ihn in einem engen Kreis wenden und hieb mit seinem Schwert um sich.
Wohin er sich auch wandte, umgaben ihn die Geister, zogen einen Ring um ihn und lösten sich in Nebel auf, wenn seine Klinge durch sie hindurchfuhr, um sich dann unbeschädigt wieder zusammenzufinden. Jenseits des Geisternebels, einige Ellen von ihm entfernt, war Uschahin Traumspinner zuckend zu Boden gestürzt und presste sich die verkrüppelten Hände auf die Ohren. Und als einer der Geisterreiter nahe genug herankam, um ihn zu berühren, hörte Tanaros die Stimmen der Toten in seinem eigenen Kopf.
… wegen dir wurden wir erschlagen, wir, die der Gedankenfürst todeslos erschuf, wegen dir wurde die Welt gespalten, wegen dir sind wir an diesen Ort gebunden …
»Nein!«, brüllte Tanaros, um den immer lauter werdenden Chor zum Schweigen zu bringen. »Das ist nicht wahr!«
… lebten in Frieden, bis der Feind aus dem Norden kam und ganze Horden von Fjeltrollen unsere Mauern zerstörten und unsere Heere niedermetzelten …
»Das ist nicht wahr!«
Numireth, Valwe, Nandinor … Namen aus Legenden, lange vor seiner Geburt schon erschlagen. Hochgewachsene Ellylfürsten mit Augen aus weißem Feuer, die Brustpanzer geschmückt mit dem Wappen ihres Hauses, der schwarzen Schattenzeichnung des schnellen Elboks der Ebenen. Numireth der Flinke, dessen silberner Helm von Flügeln gekrönt war. Sie umzingelten ihn, der Geisternebel berührte sein lebendiges Fleisch, und ihr Singsang strömte wie die Flut in seinen sich angestrengt wehrenden Kopf.
… die Ebene von Curonan war rot vor Blut und erfüllt von den Schreien der Sterbenden, und wir wurden von unserer Heimstatt vertrieben, wir, die wir die Riverlorn sind …
»Nein.« Tanaros schloss die Augen in dem verzweifelten Versuch, ihr Dasein zu leugnen, und hob sein Schwert. Unter seinem rechten Ellenbogen fühlte er die Umrisse von Hyrgolfs Rhios in seiner kleinen
Ledertasche. Eine wohlbekannte Wut stieg in ihm auf. »Lebten in Frieden, wer’s glaubt! Ihr seid bei Neherinach gegen ihn gezogen!«
Anderswo ertönte weiterhin der Kampfeslärm, aber in seinem Kopf schwiegen die Stimmen nun still.
Tanaros wagte es nicht, die Augen zu öffnen, aber er stieg vorsichtig ab und ließ die Zügel los. Auf allen vieren tastete er sich über die gesprungenen Marmorsteine und die Grasbüschel auf die Stelle zu, von der er Uschahins schmerzerfülltes Jammern hörte. Dort, ein paar Schritte von dem Halbblut entfernt, fanden seine Hände, was er suchte – den kleinen Lederkoffer, der den Schattenhelm aufnehmen konnte.
»Vetter.« Er tastete blindlings nach Uschahin. »Ich nehme den Helm.«
»Tanaros!« Der Atem fuhr dem Halbblut durch die zusammengebissenen Zähne. » Vertreibe sie aus meinem Kopf! «
»Ich werde es versuchen.« Seine Finger waren steif, nachdem sie so lange den Schwertgriff umschlossen hatten, aber Tanaros gelang es doch, die Schnallen des Koffers zu lösen. Der Helm bebte vor Schmerz, als er ihn berührte, und er zuckte angesichts des dumpfen Pochens in seinen Knochen zusammen. Seine Hände zitterten, als er seinen pelmaranischen Helm abnahm, den Schattenhelm auf den Kopf setzte und die Augen öffnete.
Finsternis.
Schmerz.
Finsternis wie ein Schleier über seinem Gesichtsfeld, der die Ebene und die verfallene Stadt in Schatten legte; Schmerz, ein ständiger Begleiter. Der Schatten einer Wunde pulsierte in seinem Unterleib, tief und brennend, und ließ einen ständigen, dünnen Strom Ichor an der Innenseite seines Beins heruntertropfen. So war der Schmerz des Satoris, den Oronin
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