Elegie - Herr der Dunkelheit
sollen.«
»Ach verdammt, Bogvar!« Tanaros kniete nun neben ihm und drückte die Wunde mit beiden Händen zusammen. »So hol doch jemand ein – oh nein!« Ein Blutschwall quoll aus dem offenen Mund des Fjel und rann dann aus einem Mundwinkel. Bogvar von den Tungskulder-Fjel lag still und blutete nicht mehr. Tanaros seufzte und fuhr sich mit der Hand durchs Haar, das Blut vergessend, das an seinen Fingern klebte. »Du hättest deinen Schild höher halten sollen«, murmelte er und kam dann stolpernd wieder auf die Beine. »Der junge Thorun hat das getan?«
»Ja.« Hyrgolfs Stimme kam aus den Tiefen seiner Brust. »Es war ein Unfall. Die Toten kamen über uns, und einige brachen aus ihren Reihen aus. Thorun gehörte dazu. Er dachte, er hätte einen ellylischen Geist mit einem Schlag erwischt. Es war meine Schuld, Heerführer. Ich hätte ihn warnen müssen.«
»Gojdta mahk åxrekke …« Der junge Fjel richtete sich kniend auf, hielt den rechten Arm ausgestreckt und zitterte, die krallenbewehrte Hand zur Faust geballt. »Meine Axthand nehmen«, sagte er erstickt in der Gemeinsamen Sprache. »Ich ihn töten. Ich bezahlen.«
»Nein.« Tanaros sah auf die wachsamen Fjeltrolle und die aufgebrachten Stakkianer, die sich nun wieder auf ihre windzerzausten Pferde schwangen. »Die Schuld liegt zuallererst bei mir. Ich wählte diesen Ort, ohne seine Gefahren zu kennen. Lasst es uns eine Lehre sein, eine bittere. Wir sind im Krieg. Es gibt keine sicheren Orte in der Welt, und unser Überleben hängt von unserer Disziplin ab.« Er beugte sich hinunter und nahm Thoruns Axt, die er ihm, den Stiel voran, wieder anbot. »Bleibt fest in euren Reihen«, sagte er grimmig. »Folgt den Befehlen. Und haltet eure Schilde hoch. Ist das klar?«
»Heerführer!« Hyrgolf salutierte, und die anderen schlossen sich ihm an.
Der junge Fjel Thorun nahm seine Axt zurück.
Süß war das Gefühl von Freiheit, süß wie das Hohe Gras in voller Blüte, und ebenso kurzlebig. Sie fühlte, wie sich die Schar von
Numireth zerstreute und ihre strahlende Präsenz verblasste. Sie fühlte, wie der Fehlgezeugte seine Gedanken über die Ebene aussandte, einen Willensfaden, gesponnen von einem Verstand wie eine ungesunde Spinne.
Hätte er den Faden nach ihr selbst ausgesandt, hätte Cerelinde ihm vielleicht widerstehen können. Auch ausgerüstet mit dem Schattenhelm war er dennoch erschöpft von der Qual, die er gerade erlitten hatte, und hier, an der Schwelle von Cuilos Tuillenrad, war sie selbst sehr stark. Die alte Zauberkunst der Ellylon war noch nicht ganz verschwunden.
Aber nein, er war schlau. Er lenkte ihr Pferd zu ihm zurück.
Hoffnung war in ihr aufgekeimt, als es willig unter ihr davongaloppiert war; auch das gehörte zu den uralten Zauberkünsten von Haomanes Kindern, dass sie die Sinne niederer Geschöpfe beruhigen konnten. Aber die Pferde von Finsterflucht hatten einen starken Willen und waren von der Schöpferkraft des Weltenspalters geprägt, der ihnen die große Stärke ihrer Glieder und die Boshaftigkeit ihrer Herzen verliehen hatte. Das Tier kämpfte gegen ihren Zauber und das Zaumzeug gleichermaßen, und es rollte vor gemeiner Belustigung mit den Augen, als es einen weiten Bogen schlug, um dem Ruf des Fehlgezeugten zu folgen.
Sie ließ es geschehen, dass es sie wieder in die verfallene Stadt trug, eine tiefe Furche in dem hohen Gras hinterlassend. Dort stand Tanaros und erwartete mit wachsamem Blick ihre Rückkehr. Ihr dunkel geflecktes Pferd trug sie zielsicher zu ihm und blieb vor ihm stehen, bewegungslos und ruhig.
»Hohe Frau«, sagte Tanaros und verbeugte sich. »Ein edler Versuch, kühn ausgeführt.«
Cerelinde suchte nach Spott in seinem Gesicht, fand ihn aber keinen. »Hättet ihr anders gehandelt?«
»Nein«, sagte er schlicht, »hätte ich nicht.«
Hinter ihm schwangen schnaufende Fjel ihre Streitkolben und zerschmetterten mit mächtigen Schlägen die Chalcedonplatten, um die Inschriften auf ihnen für immer zu vernichten. Auch schleppten sie große Brocken des mondblauen Steins beiseite und häuften sie
um einen gefallenen Kameraden, um ein Steingrab für ihn zu errichten. Cerelinde fühlte, wie ihr bei diesem Anblick alles Blut aus dem Gesicht wich. »Sie zerstören die Ruhestätte meiner Vorfahren!« Ihre Stimme zitterte. »Bei Haomane! Genügt es nicht, dass die Stadt vor langer Zeit vernichtet wurde? Müsst Ihr diese Entweihung zulassen ?«
Tanaros’ Gesichtsausdruck wurde hart. »Hohe Frau«, sagte er,
Weitere Kostenlose Bücher