Elegie - Herr der Dunkelheit
marmornen Steinplatten, und der Wind sang traurig in den Ruinen.
Der Eingang des Tunnels war teilweise durch große Blöcke blauen Chalcedons versperrt, und sie mussten sich einzeln ins Freie kämpfen. Als Cerelinde in das wolkenverhangene Tageslicht hinausritt, beugte sie sich im Sattel hinunter, um die gesprungenen Mauern des nächststehenden Gebäudes zu berühren, von dem die einst aus kostbarerem Stein bestehende Verkleidung abgebröckelt war; nun kam der Granit darunter zum Vorschein. »Das haben Ellylon gefertigt.«
»Vorsicht, Hohe Frau«, raunte Tanaros. »Das ist nicht sehr stabil.«
»Was ist das für ein Ort?« Sie zitterte. »Es liegt Trauer in seinen Knochen.«
Hyrgolf wandte sich zu ihnen um, und sein riesiger Kopf hob sich gegen den niedrigen Himmel ab. »Euer Volk nannte es die Stadt des Hohen Grases, Hohe Frau der Ellylon«, antwortete er mit gutturaler Stimme. »Vor langer Zeit.«
»Oh Haomane!« Cerelinde sprang aus dem Sattel und kniete sich vor den Sockel eines der blauen Chalcedon-Blöcke. »Cuilos Tuillenrad .« Ihre Finger rieben mit sanfter Ehrerbietung über die mondblaue Oberfläche und enthüllten schmale Linien ellylischer
Runen, die dort eingraviert waren. »Dies war die Stadt von Numireth dem Flinken«, hauchte sie.
»Ja.« Tanaros ergriff die Zügel ihres Pferdes und sah sich unruhig um. Die Stadt, oder das, was von ihr übrig war, machte einen trostlosen Eindruck. Sie war schon vor langer Zeit überrannt worden, im Dritten Zeitalter der Gespaltenen Welt, als Fürst Satoris die Fjeltrolle aus den Festen im Norden geführt hatte und mit ihnen nach Westen gezogen war, die Ellylon vor sich hertreibend. Inzwischen hatte das Grasland die Stadt zurückerobert. Niemand sonst hatte sie gewollt. »Frau Cerelinde, wir müssen weiter.«
»Einen Augenblick«, flüsterte sie und strich mit den Fingerspitzen über die Runen. »Ich bitte Euch.«
Er sah zu Hyrgolf hinüber, der mit den Achseln zuckte. Die Fjel waren damit beschäftigt, die Nahrungsmittel aus dem Tunnel zu schaffen und nachzusehen, was weiterhin benötigt wurde oder auch zurückgelassen werden konnte. Jetzt, da sie das offene Grasland erreicht hatten, würde es genug Weidemöglichkeiten für die Pferde geben. Der Ort war mit Bedacht gewählt worden: Er lag nahe genug an Finsterflucht, um eine sichere Rückkehr zu gewährleisten, aber weit genug entfernt, dass die Hohe Frau der Ellylon nicht das ganze Ausmaß des Tunnelnetzes erahnen konnte, das sich unter der Oberfläche von Urulat befand und bis direkt vor die Tore von Fürst Satoris’ Zufluchtsstätte reichte.
Und natürlich hatte dieser Ort geschichtliche Bedeutung, die sie daran erinnern sollte, wie närrisch es damals gewesen war, sich gegen den Willen des Drittgeborenen zu stellen. All diese Einzelheiten waren wohldurchdacht, aber auch dieses Wissen half nicht gegen das prickelnde Gefühl in Tanaros’ Nacken.
Wieso war es auf der Ebene plötzlich windstill geworden?
»Vetter.« Uschahin hatte sein Pferd neben Tanaros gelenkt. Sein gutes Auge kniff er zusammen. »Mir gefällt diese Stille nicht. Hier ist etwas nicht in Ordnung.«
Die Fjel hielten in ihrer Arbeit inne und schnupperten mit ihren breiten Nasenlöchern. Vorax’ Stakkianer standen aneinandergedrängt, die Flanken ihrer Pferde berührten sich beinahe. Rings um
sie herum baute sich großer Druck auf. Am Sockel des Chalcedon-Blocks strich die Hohe Frau Cerelinde noch immer über die Runen und flüsterte leise vor sich hin.
»Traumspinner!« Tanaros packte das Handgelenk des Halbbluts. »Was tut sie da?«
»Weißt du es nicht?« Uschahins Lächeln wirkte kränklich. »Dies ist die Gruft, in die man die Gefallenen des Hauses Numireth legte. Die Tunnel befinden sich darunter. Der Ort, an dem sie kniet …« Er nickte zu Cerelinde hinüber, deren Brautgewand in einer Pfütze hing. »Dort hat ihre Familie um Rache am Weltenspalter gebetet. Ich nehme an, genau das tut sie jetzt auch.«
Jeder Grashalm stand bewegungslos da, wartete, in den Lücken der Mauern, den verfallenen Straßen. Nur das Flüstern von Cerelindes Stimme war zu hören.
Tanaros fluchte.
»Setz den Helm auf«, sagte er, und seine Finger verstärkten den Griff um das Handgelenk des Halbbluts. »Traumspinner! Setz den Schattenhelm auf! «
Zu spät.
Von überall und nirgendwo kamen sie, Geister, die Schar des Hauses Numireth. Nebelhafte Reiter auf nebelhaften Pferden, die aus allen Ecken der verlassenen Stadt herbeiströmten. Mit hohlen
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