Elegie - Herr der Dunkelheit
»Eure Vorfahren sind gegen die der Fjel gezogen, lange bevor die Stadt des Hohen Grases fiel. Sie sind gegen Neherinach marschiert und haben Neheris’ Kinder in den hohen Bergen mit Waffen angegriffen. Verurteilt Ihr sie?«
Zwei rote Flecken erschienen auf ihren Wangen. »Sie nahmen den Weltenspalter bei sich auf!«
»Ja.« Er hielt ihrem Blick stand. »Das taten sie.«
Cerelinde schüttelte den Kopf. »Ich verstehe Euch nicht«, sagte sie leise. »Ich werde Euch nie verstehen. Wieso dient Ihr jemandem wie Satoris Fluchbringer, dessen ganzes Dasein darauf abzielt, solche Schönheit zu zerstören?«
Tanaros seufzte. »Hohe Frau, diese Ruinen standen seit Jahrhunderten unberührt da. Ihr wart es, die versuchtet, sie als Waffe einzusetzen«, erinnerte er sie. »Dafür mache ich Euch keinen Vorwurf. Aber Ihr müsst verstehen, dass ich sie nun zerstören muss.«
Obwohl seine Worte gerecht waren, schmerzte ihr doch das Herz. Die Streitkolben der Fjel schlugen weiter zu und zertrümmerten und zerschlugen den Stein, und mit jedem Schlag verschwand ein weiteres Stück, das Zeugnis über das Leben der Riverlorn in der Gespaltenen Welt ablegte. Nie wieder würden die Geister der kühnen Toten aus dem Hause Numireth über die Ebene von Curonan preschen. »Ihr hättet das nicht befehlen müssen«, flüsterte Cerelinde. »Mein schwächlicher Versuch hat Euch keinen Schaden verursacht.«
»Keinen Schaden?« Tanaros starrte sie an. »Frau Cerelinde, ich achte Euren Mut und auch Euren Rachedurst, aber ich bitte Euch, verschont mich mit Eurer Heuchelei. Einer meiner Leute liegt tot da, und das ist Schaden genug.« Verachtung schärfte seine Stimme. »Es sei denn, dass dieses Wort für Euch etwas anderes bedeutet .«
Damit wandte er sich von ihr ab.
Cerelinde senkte den Kopf, müde und besiegt. Es stimmte, sie hatte nicht mehr an den getöteten Fjeltroll gedacht. Bis zu diesem Augenblick hatte sie nicht gewusst, dass ein Mensch um das Hinscheiden eines solchen Wesens trauern konnte.
Aber offenbar war es so.
Sie verstand es nicht.
Uschahin Traumspinner schlief und träumte.
Auf der Ebene von Curonan blies der Wind leise und stetig und seufzte im Hohen Gras. Die Stadt von Cuilos Tuillenrad lag drei Weglängen südlich, und die Toten schliefen dort ruhig, auch Bogvar von den Tungskulder-Fjel, der den Schlaf der Toten schlief unter einem Grab aus ellylischen Steinbrocken.
Auf der Ebene standen die kalten Jäger Wache und beobachteten mit ihren gelben Augen, die im Dunkeln sehen konnten, wie der Wind das Gras hin und her bewegte. Dennoch schritt Marschall Hyrgolf am Rande des Lagers schweren Schrittes auf und ab und starrte in die dunkle Nacht. Kein Fjel hätte bei diesem Auftrag sein Leben verlieren sollen, und das Herz war ihm schwer.
Heerführer Tanaros schlief unruhig unter seinen Decken.
In einem einfachen Schutzzelt lag Cerelinde von den Ellylon, und sie schlief nicht; ihre Augen waren offen und sahen wach in die Welt.
An ihnen schritt der Traumspinner vorüber.
Weiter und weiter ging er, bis das Lager in großer Entfernung lag. Außerhalb des bewachten Tals von Meronil sah er die Schlafgedanken altorianischer Krieger und zuckte angesichts der Gewalt zusammen, die sich ihm darin offenbarte, als sie von einem Kriegsrat in den Hallen der Riverlorn träumten. Auf den schaukelnden Wellen der Harrington-Bucht berührte er kurz den Geist eines dösenden stakkianischen Hauptmanns, der über Schifferknoten und Großsegel und einen Dolch nachdachte, der in der Kehle eines Freien Fischers steckte.
Weiter.
Weiter.
Ein trockenes Land, so trocken, dass es die Raben mieden.
Dort fand er sieben abgeschirmte Seelen, die gegen jegliches Eindringen geschützt waren. Eine leuchtete wie ein roter Stern, und sie mied er wie die Pest. Eine war ellylisch und ließ ihn erschauern. Eine war wachsam und voller Misstrauen. Eine träumte nur von der Spannung des Bogens, der bebenden, gespannten Sehne, dem Davonschnellen des Pfeils.
Eine träumte von Wasser, folgte den Adern der Erde und trug einen Grabstock.
Eine träumte vom Feuermark und griff sich an die Kehle.
Aber eine andere, ja! Eine erbebte vor Verbitterung und träumte von dem, was ihr missfiel, und ihr Neid machte den Schutz, den sie umgab, brüchig, bis ihre Gedanken durch die Risse sickerten und man diese Seele erkennen konnte, bis man sie aufspüren und auf dem Angesicht Urulats finden und ihr Ziel erfahren konnte. Hobard von Malumdoorn hieß der Mann, und er war aus
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