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Elegie - Herr der Dunkelheit

Elegie - Herr der Dunkelheit

Titel: Elegie - Herr der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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müssen uns nur ruhig verhalten. Das Gras ist hoch. Bleib einfach liegen, Hauptmann.«
    Über ihnen brannte die Sonne gnadenlos aufs Land. In Finsterflucht vergaß man beinahe, wie hell sie sein konnte – und wie heiß. Zuerst hatte er immer wieder die Augen zusammengekniffen, und selbst jetzt, nach vielen Tagen unterwegs, hatte er sich noch nicht richtig an sie gewöhnt. Warme Feuchtigkeit stieg aus dem Boden auf, die nach Wurzeln roch. Carfax war sich seines Körpergeruchs bewusst; er stank wie ein Iltis, und Hunric nicht besser. Aber er war ein guter Spurensucher, der beste in der Truppe. In Stakkia konnte er einen Eisfuchs in einem Schneesturm verfolgen. Schade, dass es hier keinen Schneesturm gab. Die Gegend hätte einen gebrauchen können. Oder ein bisschen guten, harten Frost, wie Vilbar gesagt hatte. Es wäre gar nicht so übel, würde Raureif auf dem Riedgras glitzern, alle Blätter steif gefroren …
    »Psst!«

    Hufschlag und eine einzelne Stimme, die ein unmelodisches Lied trällerte, mit einem fremden Text. Carfax hielt sich dicht am Boden, spähte durch das hohe Gras und konnte sich gerade noch zurückhalten, einen überraschten Pfiff auszustoßen.
    »Was zur Hölle …«, flüsterte Hunric.
    Sieben Fremde, von einem bärtigen Alten im Gelehrtengewand geführt, der auf dem offenbar besten Pferd der ganzen Gruppe ritt. Ein Ellyl, der zu Fuß unterwegs war, leichten Schrittes und mit jener aufreizend überheblichen Art, die für sein Geschlecht so typisch war. Ein junger Mann, der unter einer vedasianischen Ritterrüstung schwitzte, die schlecht saß und bereits stark geflickt war. Und noch einer, älter, mit fahlgrauem Mantel, wachsam.
    »Ein Grenzwächter«, murmelte Carfax. »Der ist aus Curonan.«
    »Blaise Caveros?« Hunric machte große Augen. Jeder in Finsterflucht wusste, dass Heerführer Tanaros’ entfernter Verwandter der Oberste Ritter der Grenzwacht war.
    »Könnte sein.«
    »Dann ist das …«
    »Malthus’ Truppe.« Carfax betrachtete die übrigen drei. Darunter war zu seiner Überraschung eine Frau, in Leder gekleidet, mit einem Köcher und einem Bogen auf dem Rücken. Eine Bogenschützin aus Arduan. Und zwar eine gute. Das war klar. Drei tote Raben baumelten an ihrem Sattel, an den Füßen zusammengebunden, ein trauriges Bündel schwarzer Federn. Aber die anderen … Er verzog das Gesicht.
    »Versengte«, murmelte Hunric. »Hab von denen schon gehört, Hauptmann.«
    Tatsächlich, es waren Versengte, deren Haut von einem verbrannt wirkenden Dunkelbraun war. Einer der beiden, der auf einem Packmaultier saß und nur einen fadenscheinigen Lendenschurz trug, summte unmelodisch vor sich hin. Gelegentlich klatschte er auf seinen braunen, vorstehenden Bauch, um seinem Lied besondere Betonung zu verleihen. Carfax, der den unverständlichen Worten lauschte, musste plötzlich an Wasser denken, das wie das Blut in seinen Adern durch die verborgenen Pfade von Urulat floss, das von
der schäumenden Schneeschmelze eines angeschwollenen stakkianischen Baches herunterschoss, bis es zäh im Delta ins Stocken kam und nun Leben in allen Formen mit sich führte …
    »Der eine ist ja fast noch ein Kind«, bemerkte Hunric.
    Als Letzter kam ein Junge mit großen Augen, drahtig und dunkel wie die Sünde, der auf einem Pony ritt. Um seinen Hals hing etwas, ein Fläschchen aus gebranntem Ton, das an einer gedrehten Schnur befestigt war. Er war es, an dessen Seite der Grenzwächter in seinem tarnfarbenen Mantel stets blieb, unaufdringlich aufmerksam wie ein Schatten.
    Die kleinen Härchen an Carfax’ Nacken stellten sich auf.
    Er fühlte, wie es ihn kalt überlief, als wäre gerade ein Wunsch in Erfüllung gegangen.
    »Hunric«, flüsterte er mit trockenem Mund. »Sie folgen uns nicht, und sie kommen nicht von der Handelsstraße. Oder falls doch, dann waren sie dort nur kurz, um Reittiere zu kaufen. Sie kommen aus der Unbekannten Wüste. Das ist das Werk der Prophezeiung. Und wer auch immer die Raben geschickt hat, ob nun der Traumspinner oder Fürst Satoris, sie sind gescheitert.«
    Nebeneinander im Riedgras liegend sahen sie einander an.
    »Was machen wir jetzt, Hauptmann?«
    Es war ein Geschenk, ein unerwarteter Segen. Malthus’ Truppe, die ahnungslos ihren Weg kreuzte. Drei tote Raben, an den Füßen zusammengebunden: Das bedeutete, dass niemand in Finsterflucht etwas davon wusste. Carfax fuhr sich über die trockenen Lippen. Sie waren nur zu siebt, und zwei von ihnen waren ganz offensichtlich keine

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