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Elegie - Herr der Dunkelheit

Elegie - Herr der Dunkelheit

Titel: Elegie - Herr der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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behandschuhten Händen über den Wollstoff fuhr. Kleine graue Wesen fielen herunter und wuselten über den Boden. Einer der Tungskulder trampelte hinter ihnen her und zerquetschte sie unter der undurchdringlichen Haut seiner
Füße. Es wäre schließlich ungeschickt gewesen, die Beute in völlig aufgelöstem Zustand nach Hause zu bringen.
    »Dieses Land bringt nur Verdorbenes hervor!« Die Hohe Frau war blass. »Es ist besudelt vom Weltenspalter!«
    Verdorben ist, was Verderben bringt, dachte Uschahin schweigend. Welchen Schaden haben die Weber angerichtet, bevor du mit deinen groben Bewegungen ihre Netze zerstörtest? Wenn sie nicht auf die Jagd gingen, hätten wir eine Fliegenplage in Finsterflucht, denn ja, Hohe Frau, das Land ist besudelt vom Blute Fürst Satoris’, das hier in den Boden sickert und das Wasser verdirbt, das wir trinken. Er blutet und blutet ohne Unterlass, denn jene Wunde, die ihm mit dem Gottestöter zugefügt wurde, die Wunde, die ihm seine Gabe nahm, heilt niemals.
    Und weshalb wurde er verwundet?
    Uschahin lächelte in sich hinein und sah zu den zarten Vorhängen aus Spinnenweben empor. Hängende Schleier, Girlanden aus kleinen Fäden, fein gesponnen und milchweiß. Das riesige Netzwerk erfüllte ihn mit Entzücken. Welcher Architekt hätte so etwas entwerfen können? Ein einzelner Faden, in den leeren Raum geschleudert, trifft einen zweiten. Ist es Zufall oder Bestimmung? Werden die Weber ihr Reich in eifersüchtigem Kampf verteidigen, oder werden sie ihre Fäden verbinden, um gemeinsam die Leere zu überwinden?
    Die Ellylon wurden immer weniger, während die Zahl der Menschen zunahm.
    Fürst Satoris war verwundet worden, weil er sich dem Willen Haomanes widersetzte.
    Er hatte sich geweigert, den Menschen seine Gabe zu entziehen.
    Und Uschahin war einer der Drei, und Irrsinn war sein Reich, denn seine Wurzeln lagen in den drei Welten, und er sah nur allzu deutlich, was keiner der Geringeren Schöpfer je hatte wissen sollen. Die geistige Gesundheit, über die er verfügte, war eingebettet in eine dünne Faser des Schmerzes, wie er von schief und schlecht zusammengewachsenen Knochen ausging und von dem scharfen Zucken des Lichts, das seinen Schädel durchbohrte, wenn es durch die Pupille fiel, die sich nicht mehr zusammenzuziehen vermochte.
Uschahin hielt sich an jenen fein gesponnenen Faden des Schmerzes und wusste sich in all seinem Irrsinn doch geistig klar.
    Nicht einmal Fürst Satoris, der ihn hätte heilen können, der in seiner Seele ein starkes Brennen von Liebe und Stolz geweckt hatte, verstand diesen Teil.
    Aber das machte nichts.
    Vor ihnen lag nun eine schmale Öffnung, die das Ende der Weberkluft anzeigte. Die Kaldjager kletterten hin und her und zogen die herabhängenden Spinnwebschleier mit erstaunlicher Vorsicht zurück. Sie zumindest hatten begriffen, dass die kleinen Weber ebenso ein Teil der Verteidigung von Finsterflucht waren wie die starken Mauern; nicht umsonst nannte man sie Kalte Jäger. Von allen Fjel verstand er sie am besten, denn sie waren den Wehren, die ihn aufgezogen hatten, am ähnlichsten.
    Der Gedanke war von Schmerz begleitet.
    Oh Mutter!
    Sie hatte einen guten Tod gehabt, die Zähne an der Kehle ihres Feindes, erinnerte sich Uschahin zum hundertsten Mal. Sie hatte es so gewählt. Und wenn er auch nicht ihre Erinnerungen erben konnte, dann wollte er zumindest die Erinnerung an sie auf ewig in seinem Herzen tragen. An die Güte, die sie gezeigt hatte, als sie ihn in den pelmaranischen Wäldern fand, in die er gekrochen war, von blindem Schmerz getrieben. An die Berührung mit ihren rauen Handballen, als sie seinen Kinderkörper wiegte, sein zerschlagenes Gesicht und seine zertretenen Hände schützte. An ihren harten grauen Pelz, wie er sich warm gegen seine Haut presste, als sie ihn in Sicherheit brachte, während sie um ihre eigenen verlorenen Welpen trauerte.
    Die Graufrau ist tot. Die Graufrau lebt.
    Jenseits des Durchlasses öffnete sich die Verderbte Schlucht zum Tal von Gorgantum. Uschahin, der diesen Weg öfter nahm als die meisten, war daran gewöhnt. Er hörte scharfes Atemholen, als die Hohe Frau Cerelinde sie zum ersten Mal sah – die hoch aufragenden Türme, die das Verderbnistor flankierten, die riesenhafte Mauer, die sich eine Weglänge nach der anderen in die niedrigen Berge zog, und das massive Gebäude von Finsterflucht selbst.

    Bestaune es, du ellylische Hure, dachte er, bestaune es und fürchte dich. Dein Besuch hier wurde mit Blut

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