Elegie - Herr der Dunkelheit
Brandwunden, die Speros erlitten hatte. Es war gut, dass sich Vorax’ persönlicher Medicus um ihn gekümmert hatte. Zwar war kein dauerhafter Schaden entstanden, aber das Verhör war dennoch sehr hart verlaufen.
Bei Tanaros’ eigener Ankunft war das anders gewesen. Er war einer
seinen verletzten Stolz aufgespürt und den Schattenhelm benutzt, um ihn zu sich zu rufen. Und in seiner Verzweiflung war Tanaros diesem Ruf gefolgt, hatte sich dem Donnerstimmen-Fjel gestellt, ihn niedergebrüllt und sich unbeirrt und ohne Hilfe durch die Verderbte Schlucht gekämpft.
Und war dann dem Weltenspalter gegenübergetreten, der um seine Hilfe gebeten hatte.
Auch nach so langer Zeit ließ ihn die Erinnerung daran noch immer wohlig erschauern. Das vernarbte Fleisch, das sein Herz umgab, zuckte beim Gedanken an das Brandmal zusammen, das ihm der Dolch Gottestöter verpasst hatte, als er damit die Fessel seines sterblichen Daseins streckte. Auch jetzt noch, da sich seine schmerzenden Gelenke an den langen Weg erinnerten, den sie schon zurückgelegt hatten, war es ein bewegendes Gefühl.
Er hatte Speros die Wahrheit gesagt. Zu Anfang war nur Zorn in ihm gewesen. Das hatte ihn voller Wut und Verzweiflung nach Finsterflucht getrieben, und er hatte sich Fürst Satoris zu Füßen geworfen und sich bereit erklärt, dem Bösen zu dienen, weil er gehofft hatte, damit sein wütendes Herz zu heilen. Seitdem hatte er gelernt, dass die Welt nicht so war, wie er in seiner Jugend geglaubt hatte. Er empfand schließlich Verehrung für Fürst Satoris, der auch im Angesicht der überwältigenden Gewalt von Haomanes Willen nicht nachgab, obwohl er verletzt und voll Trauer war. Haomanes Zorn hatte die Erde versengt in dem Versuch, Satoris zu vernichten. Hätte ihn nicht Arahila um Gnade angefleht, hätte der Gedankenfürst vielleicht sogar Urulat zerstört.
Tanaros fragte sich, ob Haomane damals der Ansicht gewesen war, es sei die Sache wert. Immerhin wäre er dann in der Lage gewesen, die Welt aufs Neue zu gestalten, sodass sie seinen Wünschen besser entsprach. Es war Uru-Alats Wille, so behauptete Haomane, dass er als Oberster der Schöpfer herrschen sollte, aber hatte nicht jeder von ihnen eine andere Gabe erhalten? War die Gabe des Denkens allen anderen so überlegen? Einst hatte Tanaros das gedacht, bis ihn der Mut und die Treue der Fjel Demut gelehrt hatten.
Es war schade, dass Haomane der Erstgeborene keinerlei Demut besaß. Vielleicht hätte er seinen Rang nicht so eifersüchtig bewacht und wäre nicht so leicht zu erzürnen gewesen, wenn er einmal die Demut erfahren hätte. Vielleicht war es sogar die Bestimmung von Fürst Satoris, dafür zu sorgen, dass das geschah.
Oh Herr, dachte er, Herr! Möge ich mich deiner Wahl als würdig erweisen.
»Schwarzschwert.«
Eine trockene Stimme, so trocken wie die Unbekannte Wüste. Uschahin Traumspinner saß im Schneidersitz unter einer Buche, so ruhig wie der Wald. Lider hoben sich, ungleiche Augen öffneten sich. Verklebte Wimpern, ausgedörrte Lippen.
»Vetter«, sagte Tanaros. »Du wünschtest mich zu sehen?«
»Ja.« Trockene Lippen teilten sich über den Zähnen. »Hast du die Raben gesehen?«
»Raben?« Tanaros sah sich bestürzt um. Nur wenige Vögel hielten sich im Rabenhorst auf, aber das war nicht ungewöhnlich. Es war vielmehr selten, dass er seinen flaumigen Liebling antraf. »Geht es um Bring? Ist ihm etwas zugestoßen?«
»Nein.« Das Halbblut lehnte seinen Kopf gegen den Buchenstamm. »Dein gefiederter Freund ist in Sicherheit, jedenfalls für den Augenblick. Er bewacht zusammen mit einigen anderen Haomanes Verbündete, die den Abmarsch nach Pelmar vorbereiten. Aber es ist etwas geschehen.«
Tanaros setzte sich dem Traumspinner gegenüber und runzelte die Stirn. »Was denn?«
»Ich weiß es nicht.« Uschahin verzog das Gesicht und legte seine schiefen Finger an seine Schläfen. »Das genau ist das Problem, Vetter. Ich kann der ganzen Sache nur einen Namen geben.«
»Und der lautet?« Ein Schauer überlief Tanaros’ Rücken.
»Malthus.«
Ein Wort, nicht mehr, nicht weniger. Sie starrten einander an, und wie nur wenige auf Urulat wussten sie, was es bedeutete. Malthus der Gesandte war Haomanes Waffe, und wo er erschien, ging es für jene, die ihm Widerstand leisteten, schlecht aus.
»Wie das?«, fragte Tanaros leise.
Uschahin zuckte seine buckligen Schultern. »Wenn ich das nur wüsste, Vetter, dann würde ich es dir sagen, dir und dem Fürsten. Alles, was ich weiß,
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