Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elegie - Herr der Dunkelheit

Elegie - Herr der Dunkelheit

Titel: Elegie - Herr der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
Vom Netzwerk:
darzubringen. Auf den Weizenfeldern nickten die goldhaarigen Halme, Melonen reiften an ihren Ranken, die silbergrünen Blätter der Olivenbäume rauschten, und die Zweige der Apfel- und Birnbäume bogen sich unter der Last ihrer Früchte. Dies war die Domäne von Yrinna von den Früchten, der Sechstgeborenen unter den Schöpfern.
    Sie hatten kurz nach dem Überschreiten der vedasianischen Grenze wieder die Handelsstraße erreicht, und Carfax’ Haut prickelte, als sie weiterritten, denn er wusste, dass er sich im tiefsten Feindesland befand. Es war jedoch ein Wunder, wie wenige Menschen merkten, dass etwas nicht stimmte. Meist waren es die Kinder. Sie starrten die Gruppe mit großen Augen an, sahen hinter den Röcken ihrer Mütter hervor oder von den hinteren Sitzen vorbeifahrender Wagen herab. Sie deuteten auf die Reisenden und flüsterten; sie deuteten vor allem auf die Versengten, aber auch auf die anderen.
    Was sahen sie wohl, fragte er sich.
    Einen Graubart im Gewand eines Gelehrten, dessen Augen unter den gesträubten Brauen zwinkerten; wie es schien, war Malthus Kindern sehr wohlgesonnen. Einen Grenzwächter in fahlgrauem Mantel,
der ein finsteres Gesicht machte. Ein Ellylbürschchen, dessen leichter Schritt keine Spur im Straßenstaub hinterließ. Eine Arduanerin in Männerkleidung, den Langbogen an ihrer Seite. Einen jungen Ritter, der unter seiner vedasianischen Rüstung schwitzte.
    Einen Mann mit haselnussbrauner Haut und rundem Bauch.
    Einen haselnussbraunen Jungen mit dunklen Augen und einem Fläschchen um den Hals.
    Sie sangen beim Wandern, die Versengten. Monoton und unaufhörlich. Thulu, der Dicke, sang mit tiefer Bassstimme. Manchmal lauschte Carfax und hörte in den Liedern das tiefe Rauschen von Wasser, das durch unterirdische Kanäle floss, von unterirdischen Flüssen und Rinnsalen, die auch die weitreichendsten Wurzeln der ältesten Bäume erreichten. Auch der Junge Dani sang, mit heller, klarer Stimme. Das war vor allem dann zu hören, wenn sie an fließendem Wasser vorbeikamen. Dann stieg seine Stimme frisch und jubilierend zum Himmel. Wie Flüsse, wie Bäche, die über Felsen sprudeln.
    Die Kinder merkten es.
    Malthus der Gesandte merkte es auch, seinen scharfen Ohren und Augen entging kaum etwas. Er nickte vor sich hin, tauschte Blicke mit dem Grenzwächter Blaise oder dem Ellyl Peldras, nickte befriedigt und tastete nach dem rubinroten Soumanië, der unter seinem Bart verborgen lag. Offenbar verlief alles nach seinem Plan.
    Alter Mann, dachte Carfax, ich hasse dich.
    Und da es sonst nichts für ihn zu tun gab, da sein Körper und sein Wille durch den Soumanië des Gesandten gebunden und eingeschränkt waren, ritt Carfax neben ihnen her, aß und schlief und atmete den Straßenstaub ein, wahrte das Schweigen, das sein einziger Schutz war, beobachtete und hasste und wünschte ihnen alles Böse. Manchmal starrten ihn die Kinder an. Was sahen sie? Einen Mann, staubig und verdreckt, dem die Zunge am Gaumen klebte. Sie hielten ihn für taub und stumm. Manchmal wurden ihnen Schmähungen nachgerufen. Carfax ertrug sie als eine Art Strafe.
    Was für eine Dummheit zu glauben, dass Malthus den Soumanië jemand anderem anvertraut hätte!
    Manchmal kamen Kuriere an ihnen vorüber, königliche Kuriere,
die das Wappen vom Hafen Calibus trugen. Sie ritten stets zu zweit. Einer ließ das silberne Horn erklingen und hob die Standarte, an der eine Flagge mit silbernem Turm auf nebelblauem Feld hing. Alle anderen Reisenden machten eilig die Straße frei, wenn sie dessen ansichtig wurden, so auch Malthus’ Truppe. Der alte Zauberer stand mit gebeugtem Kopf da, griff mit einer Hand unter seinen Bart und murmelte vor sich hin. Was auch immer es für eine Beschwörung sein mochte, sie zeigte Wirkung. Die vedasianischen Kuriere kümmerten sich nicht um sie.
    Nach einigen Tagen sahen sie immer öfter Ritter, die auf der Handelsstraße nach Osten unterwegs waren. Sie ritten geordnet in Gruppen von zwanzig oder vierzig, und ihnen folgten die Vorratswagen. Immer öfter waren nun Kuriere unterwegs, die quer durchs Land ritten und deren Hörner eine dringende Warnung erschallen ließen. Treueschwüre wurden angefordert und gegeben, Soldaten zusammengezogen, Verpflegung organisiert. Aus geflüsterten Gerüchten wurden Nachrichten, die laut die Runde machten.
    Vedasia rief seine Ritter für einen Kriegszug zusammen.
    Von Mund zu Mund wurden die Geschichten auf der Handelsstraße weitergegeben. Die Zauberin des Ostens hatte

Weitere Kostenlose Bücher