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Elementarteilchen

Elementarteilchen

Titel: Elementarteilchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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ließ seine Unterhose in dem Augenblick herunter, als sie vom Gott Anubis sprach; er hatte das Gefühl, daß sie ihm eine Erektion nicht übelnehmen würde und vielleicht eine Freundschaft zwischen ihnen entstehen könne. Doch leider kam die Erektion nicht zustande. Sie hatte Speckfalten zwischen den Schenkeln, die sie eng aneinanderpreßte; sie trennten sich ziemlich kühl. Am selben Abend, kurz vor dem Essen, sprach ihn ein Typ namens Pierre-Louis an. Er stellte sich als Mathematiklehrer vor; so sah er allerdings auch aus. Bruno hatte ihn zwei Tage zuvor bei einem Creativity-Abend gesehen; er hatte einen sich mühsam dahinschleppenden Sketch über einen arithmetischen Beweis zum besten gegeben, in einer Art Komik des Absurden, der völlig witzlos war. Er schrieb ganz schnell etwas auf eine große weiße Plastiktafel und hielt manchmal abrupt inne; dann war sein großer kahler Schädel von nachdenklichen Falten zerfurcht, und er zog die Augenbrauen in einer Weise hoch, die witzig wirken sollte; er hielt den Filzschreiber in der Hand und rührte sich mehrere Sekunden lang nicht, ehe er wieder um die Wette schrieb und stotterte. Als er mit dem Sketch fertig war, klatschten fünf oder sechs Leute, mehr aus Mitleid. Er wurde knallrot; und das war's.
        An den Tagen danach war es Bruno mehrmals gelungen, ihm aus dem Weg zu gehen. Im allgemeinen trug er einen Stoffhut wie ein englischer Urlauber. Er war ziemlich dünn und sehr groß, mindestens ein Meter neunzig; aber er hatte einen kleinen Bauch, und dieser kleine Bauch wirkte, wenn er auf das Sprungbrett ging, sehr seltsam. Er mochte etwa fünfundvierzig sein.
        An jenem Abend nutzte Bruno die Gelegenheit, als sich der lange Lulatsch gemeinsam mit den anderen im afrikanischen Improvisationstanz versuchte, um sich wieder einmal schnell davonzuschleichen, und ging den Hang zu dem geselligen Restaurant hinauf. Neben der Exfeministin, die einer symbolistisch angehauchten Schicksalsgenossin gegenüber saß, war noch ein Platz frei. Er hatte sich kaum über sein Tofuragout hergemacht, als Pierre-Louis am anderen Ende der Tischreihe auftauchte; sein Gesicht strahlte vor Freude, als er sah, daß Bruno gegenüber noch ein Platz frei war. Er begann schon zu reden, noch ehe es Bruno wirklich merkte; allerdings stotterte er ziemlich, und die beiden Schnepfen nebenan glucksten und kicherten ziemlich schrill. Die Reinkarnation des Osiris, die ägyptischen Marionetten und und ... die beiden nahmen sie überhaupt nicht zur Kenntnis. Zu irgendeinem Zeitpunkt wurde Bruno bewußt, daß der andere Witzbold ihn nach seiner beruflichen Tätigkeit fragte. »Och, nichts Besonderes ...«, sagte er vage; er war bereit, über alles zu sprechen, aber nicht über das Schulsystem. Dieses Essen ging ihm allmählich auf die Nerven, er stand auf, um nebenan eine Zigarette zu rauchen. Unglücklicherweise verließen im gleichen Augenblick die beiden Symbolistinnen mit wackelndem Hintern den Tisch, ohne ihnen auch nur einen Blick zu schenken; das löste vermutlich den Zwischenfall aus.
        Bruno war etwa zehn Meter vom Tisch entfernt, als er ein lautes Pfeifen oder eher ein Zischen hörte, irgend etwas Schrilles, wirklich Menschenunähnliches. Er wandte sich um: PierreLouis war puterrot angelaufen und ballte die Fäuste. Ohne Schwung zu holen, sprang er mit einem Satz mit beiden Beinen auf den Tisch. Er holte wieder Atem; das Pfeifen, das aus seiner Kehle drang, verstummte. Dann ging er auf dem Tisch auf und ab und hämmerte sich dabei mit den Fäusten gegen den Schädel; Teller und Gläser tanzten durch die Luft; er trat nach allen Seiten um sich und sagte immer wieder mit lauter Stimme: »So geht das nicht! So könnt Ihr mich nicht behandeln! ...« Ausnahmsweise stotterte er mal nicht. Es waren fünf Personen erforderlich, um ihn zu überwältigen. Noch am selben Abend wurde er in die psychiatrische Klinik in Angoulême eingeliefert.

    Gegen drei Uhr schreckte Bruno aus dem Schlaf und verließ das Zelt; er war schweißgebadet. Auf dem Campingplatz war alles ruhig, es war Vollmond; man hörte das eintönige Quaken der Frösche. Am Ufer des Teichs wartete er darauf, daß es Zeit wurde, zu frühstücken. Kurz vor dem Morgengrauen wurde ihm etwas kalt. Die Vormittagskurse begannen um zehn. Gegen Viertel nach zehn ging er auf die Pyramide zu. Er zögerte vor der Tür zum Creative-Writing-Kurs; dann ging er ein Stockwerk hinab. Etwa zwanzig Sekunden lang bemühte er sich, das Programm des

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