Elena - Ein Leben für Pferde
geschenkt!«
»Das Pferd wird wahrscheinlich nie mehr zu etwas zu gebrauchen sein«, hatte Papa streng gesagt. »Schau ihn dir doch an!«
Das hatte ich getan und es war ein furchtbarer Anblick gewesen.
»Bitte, Papa, bring ihn in die Klinik!«, hatte ich gebettelt. »Bitte, bitte, bitte!«
Papa hatte geseufzt, aber dann war er doch mit Fritzi in die Tierklinik gefahren. Dort hatten die Tierärzte die kaputten Sehnen und Bänder des verletzten Beins kunstvoll zusammengeflickt, aber mehr hatten sie nicht tun können. Den Rest, so hatten sie gesagt, müsse die Natur machen.
Papa hatte versucht, mich davon zu überzeugen, dass es für Fritzi das Beste sei, ihn von seinem Leiden zu erlösen, doch ich war hartnäckig geblieben. Fritzi war mein Pferd und mir war es herzlich egal gewesen, ob er später springen konnte oder nicht.
In der Schule hatte ich mich nicht mehr konzentrieren können, vor lauter Angst, Fritzis Zustand könnte sich verschlechtern. Nach drei Wochen wurde Fritzi endlich aus der Klinik geholt.
»Eins sage ich dir«, hatte Papa zu mir gesagt, »ich bezahle keinen Cent mehr an irgendeinen Tierarzt. Entweder wird es jetzt was oder nicht. Wenn es noch mal Probleme gibt, dann kommt er weg, verstanden?«
Ich hatte genickt, überglücklich und fest entschlossen, allen das Gegenteil zu beweisen. Geduldig hatte ich Fritzi jeden Tag gepflegt, seine Wunden behandelt und die Verbände gewechselt. Niemand hatte mir dabei helfen können, denn Fritzi bekam Panik, sobald ihn jemand anfasste. Aber es störte ihn nicht, wenn ich ihn berührte. Ganz im Gegenteil, es schien ihm sogar zu gefallen.
Damals hatte ich zum ersten Mal gemerkt, dass ich Fritzis Schmerzen mit meinen Händen fühlen konnte. Zuerst hatte ich es für Einbildung gehalten, aber Melike behauptete steif und fest, Fritzi würde es regelrecht genießen, wenn ich sein krankes Bein, an das er keinen Tierarzt ließ, massierte.
Gezwungenermaßen hatte ich zudem lernen müssen, wie man einem Pferd die Hufe raspelt. Nur mit viel Geduld war es mir in zwei Jahren gelungen, Fritzi davon zu überzeugen, dass ihn weder der Hufschmied noch unsere Stallarbeiter ermorden wollten, und irgendwann hatte er auch Melike und Mama akzeptiert.
Papa hatte nur noch selten nach Fritzi gesehen und ich war heilfroh, dass mein Pferd bei den Gnadenbrotpferden untergebracht war, weit weg von den anderen Ställen. Ich fürchtete diese Augenblicke, wenn Papa am Koppelzaun oder an der Boxentür stand, die Arme in die Seiten gestemmt, Fritzi mit grimmiger Miene musterte und sich kopfschüttelnd abwandte. Ein lahmes Pferd mit einem psychischen Knacks war in seinen Augen völlig wertlos. Papa hatte Fritzi abgehakt.
»Was für eine Schande!«, pflegte er zu sagen. »Verschwendete Zeit.«
Auch wenn Fritzi Fremden im Allgemeinen und Männern im Besonderen von Herzen misstraute, so war er doch durch und durch gutmütig. In Steinau hatte man sich längst an den Anblick gewöhnt, wenn ich mit Fritzi und Twix auf den Feldwegen und den Straßen im Ort spazieren ging. Melike und ich ließen ihn neben unseren Fahrrädern hertraben, er begleitete uns, wenn wir im Wald herumliefen, und ich konnte ihn ohne Bedenken vor der Bäckerei, dem Supermarkt oder dem Metzgerladen anbinden, wenn ich dort für Mama einkaufen ging.
Als Fritzi drei Jahre alt war, hörte er auf zu lahmen und lief so makellos, als hätte er nie einen Unfall und eine Operation gehabt. Im vergangenen Frühsommer hatte ich mich zum ersten Mal auf seinen bloßen Rücken geschwungen und war mit ihm seitdem oft durch die Gegend gestreift, im Waldsee schwimmen gegangen oder gemeinsam mit Melike ausgeritten. Jetzt, mit vier Jahren, war Fritzi alt genug für ernsthafte Arbeit, deshalb hatte ich vor ein paar Wochen damit begonnen, ihn regelmäßig zu reiten.
Nun führte ich Fritzi durch den Nieselregen und band ihn am Putzplatz zwischen dem Turnierpferdestall und dem langen Stall an. Das tat ich nur, wenn Papa nicht auf dem Hof war, sonst ritt ich ins Gelände, in der kleinen Halle oder auf dem Dressurplatz, der ein wenig abgelegen hinter einer hohen Hecke lag. Auf diese Weise war es mir seit Monaten gelungen, die Fortschritte des Pferdes vor Papa zu verstecken. Nicht, dass er doch noch auf die Idee kam, Fritzi zu verkaufen, um einen unnützen Fresser im Stall weniger zu haben.
Ich holte meinen Putzkasten aus der Sattelkammer im kleinen Stall. Hier stand Sirius, mein schneeweißes New-Forest-Pony, das freudig wieherte, als es mich
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