Elena – Ein Leben fuer Pferde
schamlos mit ihren echten Namen gegen mich, was das Zeug hielt. Es war ihnen scheißegal, dass ich wusste, wer sie waren. Und offenbar war es ihnen genauso egal, dass sie mich morgen in der Schule sehen würden.
»Ey, ich kenn die meisten von denen nicht mal«, sagte ich zu Melike, die neben mir an meinem Schreibtisch vor dem Bildschirm saß. »Die sind zum Teil sogar von ganz anderen Schulen!«
»Deshalb darfst du schon überhaupt nichts drauf geben«, erwiderte Melike. »Die kennen die dämliche Laura oder Ricky oder Tessa. Dich haben sie noch nie gesehen. Denen macht das eben Spaß abzulästern, sonst haben die wohl nicht viel in ihrem Leben.«
Das war zwar kein echter Trost, aber Melike hatte recht.
»Als Erstes lösche ich jetzt die Verlinkung«, sagte sie entschlossen. »Und dann melden wir die Gruppe.«
»Das nützt doch nichts«, erwiderte ich mutlos. »Wenn die Gruppe gelöscht wird, gründen die einfach eine neue.«
Es klopfte an der Zimmertür. Ich klickte schnell die SchülerVZ-Seite weg und rief »Herein!«. Es war Mama.
»Ich fahre mit Papa zum Steuerberater und danach noch einkaufen«, sagte sie. »Heute am späten Nachmittag kommen die neuen Einsteller mit ihren Pferden aus München und danach wollen wir ein bisschen grillen. Willst du mit uns essen, Melike?«
»Ja, supergern!« Melike nickte und Mama verschwand wieder.
Seitdem ich Mama erzählt hatte, dass ich den drohenden Verweis abgewendet hatte, war sie versöhnt.
Ich stand auf und ließ mich mit einem Seufzer auf mein Bett fallen. Sofort war Twix da und kuschelte sich an mich. Er schien zu spüren, dass mit mir etwas nicht in Ordnung war. Normalerweise hätte ich mich auf neue Pferde, neue Einsteller und das Grillen gefreut, aber nicht so heute. Ich fühlte mich elend und verzweifelt und war echt schockiert über die Bösartigkeiten, mit denen ich beschimpft wurde. Es wäre alles nur halb so schlimm gewesen, wäre Tim einfach und offiziell mein Freund. Aber so drohte mir Gefahr von allen Seiten, vor allen Dingen von meiner Familie. Denn beim Thema »Jungblut« hörte auch bei meinen Eltern der Spaß auf.
»Du wirst dich nicht einfach so fertigmachen lassen!«, sagte Melike bestimmt. Sie wippte mit dem Stuhl und legte die Stirn nachdenklich in Falten. »Ich muss mir eine Strategie überlegen.«
»Ich gehe auf eine andere Schule«, schlug ich vor und kitzelte Twix am Ohr. Er schüttelte sich und schnaufte, dann biss er spielerisch in meine Finger. Ich zwickte ihn abwechselnd in den Bauch und in seine Pfoten, und er geriet ganz außer sich, er schnaubte und knurrte und kämpfte. Gott sei Dank hatte ich meinen süßen Hund und eine Freundin wie Melike!
»Zuerst wirst du selbst mal Mitglied dieser Gruppe«, sagte sie vom Schreibtisch aus.
»Spinnst du? Die lassen mich nicht da rein.«
Mein neues Handy klingelte mit dem speziellen Babsi-Ton. Ich zuckte hoch und wühlte in meinen Klamotten, die auf dem Bett verstreut lagen. Twix schüttelte sich, dass seine Haare durch die Luft flogen.
»Tim!«, rief ich halblaut. »Ariane hat heute ein Foto von uns bei SchülerVZ eingestellt!«
Zu meiner Überraschung wusste Tim schon alles, denn ein Klassenkamerad hatte es ihm erzählt.
»Bist du ganz sicher, dass Ariane dahintersteckt?«, fragte er.
»Tausendprozentig! Sie hat gestern nach der Schlägerei gecheckt, dass zwischen uns was ist, weil du sie nicht beachtet hast und hinter mir hergelaufen bist. Und jetzt will sie mich fertigmachen, weil sie neidisch ist. Ich glaub, sie ist in dich verknallt und hat einen Hals, weil sie bei dir nicht landen kann.«
»So eine hinterhältige Mistbiene«, sagte Tim. »Ich fasse es nicht!«
Tim steckte nicht weniger in der Klemme als ich.
»Wir müssen uns beraten. Kannst du jetzt weg?«
»Klar! Wann und wo?« Meine Lebensgeister erwachten schlagartig.
»Auf der halben Strecke am Steinkreuz? In einer Dreiviertelstunde?«
»Ja, kein Problem. Melike kommt auch mit.«
Wir warteten, bis meine Eltern davongerauscht waren, dann stürmten wir hinunter und rannten über den Hof. Christian führte mit mürrischem Gesicht Grandino auf dem asphaltierten Parkplatz hin und her, dabei telefonierte er. Lajos zeitnahe Behandlung hatte eine schlimmere Entzündung verhindert, aber auf dem Ultraschall, das er von Grandinos Sehne gemacht hatte, waren deutliche Zerfaserungen zu sehen. Selbst wenn Papa das Turnierverbot wieder aufhob, hätte Christian nur noch Ronalda, denn Grandino fiel für längere Zeit aus.
Liam
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