Elena – Ein Leben fuer Pferde
sattelte gerade Mister Magic und telefonierte ebenfalls, Heinrich lud mit dem Bagger Mist auf den Anhänger des Traktors und Stani führte zwei Pferde hinaus auf die Koppeln. Oma werkelte in ihrem Gemüsegarten herum und Opa gab Reitstunden in der großen Reithalle. Nach den bedrückenden Stunden am Computer erschien mir die vertraute tägliche Routine des Amselhofs seltsam tröstlich. Das Leben ging unverändert weiter, auch wenn Ariane eine gemeine Offensive gegen mich gestartet hatte.
In wenigen Minuten hatten wir Sirius und Jasper gesattelt, schnell die Hufe ausgekratzt und die Pferde aus dem Stall geführt. Twix sprang begeistert bellend um uns herum und lockte Robbie aus dem Stall. Im Winter lag er am liebsten draußen, aber an warmen Tagen wie heute verkroch er sich an schattigeren Plätzchen. Der Berner Sennenhund sah zu, wie wir vor dem Stall aufsaßen, und trottete ein paar Meter mit, doch dann blieb er stehen und blickte uns nach. Das war ihm wohl zu anstrengend.
Melike und ich trabten durch den kühlen grünen Wald. Der Waldboden war von einem Teppich aus Waldmeister und Bärlauch bedeckt, es duftete herrlich nach dem wilden Knoblauch. Die Vögel sangen, und hin und wieder gelangte ein Sonnenstrahl durch die dichte Blätterkrone und malte helle Flecken auf den Weg.
»Eigentlich ist es mir total egal, was die bei SVZ schreiben!«, rief ich Melike zu. »Die Leute in der Schule kümmern mich eh nicht! Aber das mit Tim darf nicht rauskommen!«
»Es kann dir zwar egal sein«, rief Melike zurück, »aber du darfst dir das trotzdem nicht gefallen lassen! Der Ariane müssen wir irgendwie einen Denkzettel verpassen.«
Unsere Pferde fielen auf der »Autobahn« von selbst in Galopp und wir ließen sie nach Herzenslust rennen. Zwischendurch horchte ich immer mal wieder darauf, ob Sirius auch mit mir sprechen konnte wie Quintano, aber er blieb stumm. Wie ein Fisch oder eben ein Pferd. Nach einer halben Stunde im Trab und Galopp hatten wir den Waldparkplatz am Steinkreuz erreicht. Tim war schon da. Er trug Jeans und ein T-Shirt, das so blau war wie seine Augen. Ich sprang von Sirius’ Rücken fast direkt in seine Arme, und endlich, endlich küsste er mich wieder! Melike nahm mir Sirius’ Zügel aus der Hand und band unsere Pferde an der Holzhütte an, die als Unterstand für Wanderer gedacht war, dann setzten wir uns in der Hütte auf eine Bank. Tim hatte seinen Arm um mich gelegt und ich hielt seine Hand in meiner. Ariane, SchülerVZ, mein blöder Bruder – alles war ganz weit weg!
»Ich wollte dir eigentlich etwas anderes erzählen«, begann Tim und suchte eine Weile nach den passenden Worten. »Ich habe nämlich heute Post von der Schule bekommen.«
»Post? Einen blauen Brief?« Ich verstand kein Wort.
»Nein.« Tim lachte. »Ich bin ja eigentlich jetzt im Sommer mit der Schule fertig und mein Vater hat mich schon fest eingeplant als billige Arbeitskraft. Aber ich will aufs Gymnasium gehen und mein Abi machen.«
»Echt?«, sagten Melike und ich wie aus einem Munde. Ich selbst spielte mit dem Gedanken, nach der Zehnten abzugehen, um eine Bereiterlehre anzufangen – bloß keine Schule mehr! Und Tim hatte genau das Gegenteil vor.
»Ja.« Tim nickte. »Mir fällt die Schule nicht besonders schwer, ich krieg locker einen Einserdurchschnitt im Zeugnis. Ich bin mir nicht sicher, ob ich für den Rest meines Lebens nur reiten will.«
»Aber das ist doch super!«, rief Melike begeistert.
»Das findet mein Vater nicht«, erwiderte Tim und verdrehte die Augen. »Ich soll bei ihm eine Lehre machen. Den Lehrvertrag muss natürlich ein anderer unterschreiben, mein Vater darf gar keine Lehrlinge ausbilden.«
»Und was sagt deine Mutter dazu?«, wollte ich wissen. Ich hatte nie so genau darüber nachgedacht, wie es wäre, Tim nicht einmal mehr in der Schule zu sehen.
»Nichts. Ich glaub, der ist alles egal, Hauptsache, sie hat keinen Krach mit meinem Vater.«
»Klar wechselst du aufs Gymnasium und machst Abi«, sagte Melike. »Dein Vater kann dich doch nicht zwingen, von der Schule abzugehen.«
»Außerdem gibt’s da ja noch deinen Opa«, erinnerte ich ihn. Friedrich Gottschalk war ein Freund von meinem Opa, ihm gehörte das Forsthaus und er hatte Geld wie Heu.
»… mit dem ich seit vierzehn Jahren kein Wort mehr gesprochen habe«, ergänzte Tim. »Aber egal. Jetzt erzählt mir erst mal von diesem Mist im Internet.«
Melike berichtete bis ins winzigste Detail, ich ergänzte Zusammenhänge. Tim nickte
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