Elena – Ein Leben fuer Pferde
Ich erzählte Tim von Grandinos Verletzung und von dem Krach zwischen Christian und meinem Vater.
»Dein Bruder hat überhaupt keinen Grund, auf mich neidisch zu sein«, sagte Tim voller Bitterkeit. »Ich würde liebend gern mit ihm tauschen. So lustig ist das nämlich nicht, wenn man jedes Pferd reiten muss, das dieser bescheuerte Armenier anschleppt. Ich bin ja immer der Erste, der sich auf die Viecher draufsetzen darf. Dagegen hat dein Bruder doch den Himmel auf Erden: zwei Pferde pro Tag und sonst am Computer rumhocken! Davon kann ich nur träumen.«
Es gongte. Die Pause war schon wieder herum. Wir verabschiedeten uns eilig und ich rannte mit Melike ins Schulgebäude. Bei unserer Französischlehrerin sollte man besser nicht zu spät kommen!
Am Nachmittag erlebte ich daheim eine böse Überraschung. Christian passte mich im Flur ab, offenbar hatte er mir bereits hinter der Haustür aufgelauert.
»Hast du gesehen, was im Buschfunk bei SchülerVZ über dich drinsteht?«, fragte er und es klang nicht besonders freundlich.
»Über mich? Nee, weiß ich nicht. Interessiert mich auch nicht.«
Ich wollte an ihm vorbeigehen, aber er packte mein Handgelenk.
»Da ist ein Foto von dir und dieser Jungblut-Kakerlake drin«, zischte Christian.
Mir wurde eiskalt. Ein Foto von Tim und mir? Das war doch unmöglich, oder?
»Und die schreiben, dass du scharf auf den bist.«
»Ich?« Ich tat überrascht und empört, dabei fühlte ich mich schrecklich, weil ich Tim verleugnen musste, aber es ging nicht anders. »Sag mal, spinnst du?«
»Ich spinne nicht«, erwiderte Christian und musterte mich scharf. »Aber eins sag ich dir: Wenn da etwas dran ist, dann kannst du was erleben!«
Seine Finger umklammerten mein Handgelenk wie ein Schraubstock und er zerrte mich die Treppe hoch in sein Zimmer.
»Da! Guck selbst!« Er wies auf den Computer auf seinem Schreibtisch.
Ich setzte mich zögernd hin und erkannte sofort, dass das Foto heute in der ersten Pause gemacht worden sein musste. Tim und ich standen glücklicherweise relativ weit auseinander und man konnte mein Gesicht auch nicht wirklich gut erkennen. Jemand musste es mit dem Handy fotografiert haben. Die Gedanken rasten durch meinen Kopf. Abstreiten nützte hier nichts – der Beweis war eindeutig vorhanden.
Bauerntrampel Elena Weiland macht sich an Tim Jungblut ran. Wie das wohl ihrem Bruder gefällt, nachdem, was gestern passiert ist???? , las ich ungläubig. Ein paar Leute hatten schon ihre Kommentare hinterlassen und keiner war freundlich, ganz im Gegenteil. Wohl die Hälfte aller weiblichen Schüler unserer Schule, die für Tim schwärmten, ätzten boshaft gegen mich, und die wenig schmeichelhaften Namen, die sie für mich erfanden, hätten Jens, dem Aknefrosch, höllisch Spaß gemacht. Mir war glasklar, aus welcher Ecke das kam. Ariane. Aber wieso tat sie das?
»Hast du dafür eine Erklärung?«, fragte Christian hinter mir wütend. »Das lesen alle meine Kumpels! Was denken die wohl, he? Die glauben doch, ich hätte mich gestern wegen dir mit dem Arsch geprügelt!«
Und wenn schon. Es war mir ziemlich wurscht, was Christians Freunde dachten. Ich dachte an die Schlägerei und daran, wie Ariane mich zur Seite gestoßen hatte und zu Tim gerannt war. Da ging mir ein Licht auf. Tim musste sie stehen gelassen haben, denn er war ja hinter mir hergelaufen. Das musste Ariane tierisch gekränkt haben. Die Aktion mit dem Foto war ihre Rache.
»Er hat mir gratuliert, wegen dem M am Sonntag. Das waren nur zehn Sekunden. Und Melike stand genau neben mir«, sagte ich lahm. Mir fiel keine bessere Ausrede ein.
In dem Augenblick erschien ein neuer Beitrag. Jemand, den ich nicht kannte, hatte eine Gruppe gegründet: Rettet Tim vor Elena, dem Bauerntrampel! Ich schluckte mühsam. Was sollte ich bloß tun? Ich war total geschockt, musste auf der Stelle Melike anrufen. Tim hatte das ganz sicher noch nicht gelesen, er schaute nur alle Jubeljahre mal in einen Computer und war bei SchülerVZ gar nicht registriert.
Am späten Nachmittag hatte die Gruppe Rettet Tim vor Elena, dem Bauerntrampel! schon 82 Mitglieder, dazu hatten sie ein fieses Foto von mir eingestellt, das aus einem Klassenfoto aus der 7. Klasse ausgeschnitten worden war. Ich trug noch meine Zahnspange und grinste voll blöd. Bei SchülerVZ gab es keine Nicks, hinter denen man sich verstecken konnte, und das schockierte mich noch mehr, denn neben vielen anderen ätzten und hetzten meine Klassenkameradinnen
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