Elena – Ein Leben fuer Pferde
auf dem Amselhof. In dem Stall, in dem Adelmanns jetzt ihre Pferde stehen hatten, gab es ringsum kein Gelände, nur zwei Autobahnen, und sie mochte den Reitlehrer nicht, der ihrer Meinung nach Wolkentänzer und Rosentraum – was für Namen! – ruiniert hatte mit seiner harten Reiterei.
Frau Adelmann erzählte meinen Eltern und Lajos ungefähr dasselbe. Die beiden Pferde gingen seit über einem Jahr immer wieder lahm, und obwohl sie mittlerweile in beinahe jeder guten Pferdeklinik in ganz Deutschland gewesen waren, besserte sich nichts. Ihr Mann hatte es allmählich satt, den teuren Stall, den Ausbilder und dazu noch die hohen Tierarztrechnungen zu bezahlen. Lajos war die letzte Chance für Wolki und Rosi.
»Was bezahlen Sie denn für eine Box in Ihrem Stall?«, fragte Mama ungeniert und schob sich eine Gabel Salat in den Mund.
»Achthundert Euro«, antwortete Frau Adelmann und Mama verschluckte sich an meinem Gurkensalat. »Und dazu der Beritt und die Koppeln. Das alles mal vier. Na ja, ich kann meinen Mann schon irgendwo verstehen.«
Rings um den Tisch herrschte Totenstille. Papa, Mama und Christian versuchten wohl auf die Schnelle zu überschlagen, wie viel Geld Herr Adelmann im Monat für vier Pferde in diesem Teuerstall ausgab.
»Bei uns kostet eine Box die Hälfte«, krächzte Mama und hustete. »Die Koppel ist kostenlos.«
»Tatsächlich?« Frau Adelmann schien beeindruckt. »Bis mir eine Bekannte Herrn Dr. Kertéczy empfohlen hat, hatte ich noch nie vom Amselhof gehört, dabei macht es für uns von der Entfernung her keinen Unterschied, in welche Richtung wir fahren.«
»Wir sind halt eher ein Springstall«, sagte Papa. »Aber was heißt das schon? Heute kommt ein Ausbilder auch auf den Hof.«
Ich saß schweigend in der Mitte und wartete voller Spannung auf eine SMS von Melike. In der Ferne zog das Gewitter auf, das hoffentlich die ersehnte Abkühlung bringen und die Hälfte aller stechwütigen Mücken ersäufen würde.
Erste Blitze zuckten über dem Wald, Donner grollten und der Himmel hatte sich verdunkelt. Adelmanns bedankten sich für das Abendessen und beeilten sich, zu ihrem Auto zu kommen. Papa, Christian, Liam und Lajos liefen hinüber in den Stall, um die Dachklappen zu schließen, und ich half Mama, den Tisch abzuräumen und das schmutzige Geschirr und Besteck in die Spülmaschine zu räumen. Mama summte die ganze Zeit vor sich hin und war so gut drauf wie lange nicht mehr.
»Du bist so fröhlich«, stellte ich fest. »Wieso?«
»Ach, es gab heute zur Abwechslung mal lauter gute Nachrichten.« Mama lächelte. »Die Bank hat die monatlichen Zins- und Tilgungsraten herabgesetzt, weil wir die Gesamtsumme ja erheblich reduziert haben. Wir haben heute zwei neue Einsteller bekommen, und wenn wir ganz viel Glück haben, können wir auch Adelmanns davon überzeugen, ihre Pferde hierherzustellen.«
»Ist doch super«, erwiderte ich und zwang mich zu einem Lächeln. Ich wünschte, aus meinem Leben gäbe es ähnlich erfreuliche Dinge zu berichten. Stattdessen traf ich mich heimlich mit dem Sohn der Todfeinde meiner Eltern und wurde bei SchülerVZ aufs Übelste gemobbt.
Ich legte einen Tab in die Spülmaschine und stellte sie an, dann trocknete ich die Gläser ab, die Mama gespült hatte. Ein feuchtwarmer Windstoß wirbelte durch die offenen Terrassentüren, dann krachte ein ohrenbetäubend lauter Donner. Twix, der dicht neben mir stand, jaulte vor Schreck auf. Er hasste Gewitter. In der gleichen Sekunde öffnete der rabenschwarze Himmel seine Pforten und wahre Wassermassen stürzten herab.
»Ich geh ins Bett. Bin total kaputt«, sagte ich, drückte Mama ein Küsschen auf die Backe und rannte mit Twix im Schlepptau nach oben. In meinem Zimmer sprang ich sofort an meinen Computer.
»Ja!«, murmelte ich und ballte triumphierend die Faust. Die Gruppe war tatsächlich gelöscht. Auch das Foto von Tim und mir war verschwunden. Ich rief Melike an.
»Es hat gekla-happt!«, sang sie mir ins Ohr. »Diese Ariane ist so berechenbar, das ist schon langweilig.«
»Ist dir was eingefallen?«
»Aber klar doch. Ich hab mich mit einer neuen Identität angemeldet und die Gruppe als ›Conny A. More‹ gegründet.« Melike kicherte. »Ob die hohle Blondie-Schnecke das Wortspiel kapiert? Beinahe schade, wenn nicht. War übrigens null Problem, hab einfach einen Account bei Hotmail eröffnet – und schwups! hatte ich schon eine neue E-Mail-Adresse, mit der ich mich anmelden konnte. Superleicht. Die Gruppe
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