Elena – Ein Leben fuer Pferde
ihrem Fohlen direkt von einer Koppel und ein vierjähriger Hengst aus seinem Stall gestohlen worden. Für Papa und Mama war es beruhigend, Lajos auf dem Hof zu wissen, außerdem hatte Opa versprochen, die Koppelpferde und Zuchtstuten mit ihren Fohlen über Nacht in den Stall zu holen. Das war zwar umständlich und zeitraubend, aber immer noch besser, als am nächsten Morgen ein Pferd weniger zu haben.
Ich war froh, dass Fritzi mit nach Eschwege reiste. Papa würde ihn in der Bundeschampionatsqualifikation reiten, und auch Herr Nötzli plante zu kommen, weil er meine und Quintanos Fortschritte sehen wollte.
Wir tuckerten also am frühen Nachmittag los: voran Papa mit dem großen Lkw, an den der Wohnwagen angehängt war, dahinter Mama mit dem Pferdehänger, Frau Adelmann ebenfalls mit Hänger und schließlich Liam am Steuer des kleinen Lkws. Leider hatte Melike nicht mitfahren können, sie musste sehr zu ihrem Verdruss zu ihren Verwandten in die Türkei fahren, weil ein Cousin heiratete.
Auf dem Turnierplatz war schon viel los. Die besten Spring- und Dressurreiter aus ganz Hessen hatten sich auf dem großzügigen Gelände an der Ochsenwiese versammelt, Pferde wurden abgeladen und in den Stallzelten untergebracht, Lkws rangierten hin und her, der Stallmeister lief mit einem Klemmbrett unterm Arm herum und versuchte, Ordnung in das Chaos zu bringen. Mama hatte zwölf Boxen reserviert, auch wenn wir mit Calvador, Cornado, Intermezzo, Cotopaxi, Mister Magic, Nevertheless, Fritzi, Qantas, Circle of Life, Ronalda und Quintano nur elf Pferde dabeihatten. In der leeren Box richteten wir die Sattel- und Futterkammer ein. Liam und Christian rollten die Sattelschränke von den Lkws, Mama und ich bugsierten die mitgebrachten Heu- und Strohballen in einer großen Schubkarre in den Stall. Das alles war längst Routine für uns, und nach zwei Stunden war alles eingerichtet.
Papa kümmerte sich um Strom für den Wohnwagen und ging danach zur Meldestelle, um uns für den nächsten Tag einzutragen.
Ich hielt die ganze Zeit Ausschau nach Tim. Der neue, riesige Lkw parkte unübersehbar direkt ganz vorn auf dem Parkplatz und in einem der anderen Stallzelte hatte ich die Pferde von Jungbluts entdeckt, aber bisher waren mir weder Tim noch sein Vater oder Ariane über den Weg gelaufen. Wir gingen duschen, zogen uns um und liefen dann gemeinsam zur Halle, in der der Veranstalter eine Willkommensfeier mit einer grässlich altmodischen Musikkapelle und einem ziemlich leckeren Büfett veranstaltete.
Papa und Mama trafen zig Bekannte, und ich sah an einem Tisch Tims Eltern sitzen, zusammen mit Arianes Eltern, dem dicken Gasparian und einigen anderen Leuten. Sie schienen bester Laune zu sein, tranken Sekt und lachten dröhnend laut. Ariane saß neben ihrer herausgeputzten Mutter und tippte gelangweilt auf ihrem iPhone herum, wahrscheinlich war es schon ein neues. Ich war viel zu aufgeregt, um etwas essen zu können. Christian hockte mit seinen Kumpels und ein paar Mädchen an einem Tisch in der Nähe der Bar, und es machte nicht den Eindruck, als ob er in der nächsten Zeit aufstehen und mich suchen würde. Weil Tim definitiv nicht bei der Party war und weil es mir in der Halle zu laut, zu voll und viel zu warm wurde, verdrückte ich mich nach draußen. Ich atmete tief die frische Luft ein und kramte mein Handy hervor.
Wo bist du? , schrieb ich Tim.
Im Stallzelt bei Fritzi , kam es Sekunden später zurück.
Ich lief um den Turnierplatz herum. Die Nacht war lau, der Himmel samtschwarz und ein großer voller Mond warf seinen hellen Schein. In voller Fahrt bog ich am Richterturm um die Ecke und prallte in der Dunkelheit mit jemandem zusammen, der es genauso eilig zu haben schien wie ich. Ich landete unsanft auf meinem Hintern und sah aus den Augenwinkeln einen weiteren Schatten, der sich eilig entfernte.
»Autsch«, sagte ich benommen und rieb meine Schulter.
»Holy shit«, erwiderte der Mann, mit dem ich zusammengestoßen war. Ich erkannte Liam. Was tat der denn hier? Mit wem hatte er gesprochen?
»Äh … ich … ich habe noch mal nach den Pferden geschaut«, stotterte Liam nun, obwohl ich ihn gar nicht gefragt hatte und es mich auch eigentlich nichts anging, was er tat. »Bist du okay?«
»Ja, ja, schon gut«, antwortete ich und rappelte mich auf. »Ich geh schlafen.«
»Wieso das?« Nun grinste er wieder. »Ist die Party doof?«
»Die Musik ist ätzend«, sagte ich. »Viel Spaß trotzdem.«
»Danke und gute Nacht.«
Ich blickte
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