Elena – Ein Leben fuer Pferde
»Ich denke, ich lasse die Gruppe bis morgen drin, dann lösche ich sie. Dann weiß sie endlich mal, wie es sich anfühlt, wenn über einen hergezogen wird.«
Ich hätte Melike niemals darum gebeten, schließlich hatte sie die Aktion überhaupt nur gestartet, um mir zu helfen, aber ich war insgeheim erleichtert.
Wir trennten uns beim nächsten Treppenhaus. Ich ging hoch zum Biologiesaal und Melike zurück in ihre Klasse. Ariane und Tessa kamen eine Minute nach dem Gongschlag.
»Hey, da ist ja Ariane T! «, riefen ein paar von den Jungs und alle lachten.
Ariane wurde knallrot. Ihre Tasche an die Brust gedrückt marschierte sie mit hocherhobenem Kopf vor Tessa her zu ihrem Platz, hauchte »Entschuldigung« in Richtung unseres Biolehrers und setzte sich hin, ohne die übliche Schau zu machen. Die ganze Stunde blickte sie starr geradeaus, sie sprach keinen Ton mit Ricky, der Verräterin, und kämpfte mit den Tränen. Wie bitter musste es für sie sein zu begreifen, dass sie absolut nicht der beliebte Klassenstar war, für den sie sich in ihrer grenzenlosen Überheblichkeit immer gehalten hatte.
Nach der Stunde weigerte sie sich, in die Pause zu gehen. Herr Lautner musste aber den Biologiesaal abschließen, das war Vorschrift, und zwang sie mehr oder weniger hinaus auf den Flur.
Für mehr als zwei Stunden reichten ihre Nerven nicht aus. In der dritten Stunde blieb ihr Platz leer. Tessa entschuldigte sie bei unserem Englischlehrer, Ariane wäre plötzlich schlecht geworden und sie hätte sich von ihrer Mutter abholen lassen.
Auf dem Schulhof war Ariane natürlich Gesprächsthema Nummer eins, jeder machte sich über sie lustig, aber ich verspürte keinen Triumph. Im Gegenteil: Ich fühlte mich mies. Ariane war ein gemeines Aas, aber den Spott und die Verachtung der ganzen Schule wünschte ich ihr auch nicht. Mir würde es schon reichen, wenn sie ihre Finger von Tim lassen könnte.
Melike löschte ihre Fake-Identität und die Gruppe wie versprochen noch am selben Abend. Da hatte sie schon über 600 Mitglieder.
»So«, sagte sie am Telefon zu mir, »und jetzt schreibst du was in den Buschfunk. Etwas Nettes. Du verteidigst Ariane.«
»Spinnst du jetzt?«, erwiderte ich ungläubig.
»Doch, das gehört zu meiner Strategie. Ich schwör dir, Ariane sitzt seit heute Mittag wie festgewachsen am Computer und liest jeden einzelnen Kommentar. Wenn du dich auf ihre Seite schlägst, nimmt ihr das den Wind aus den Segeln.«
Ariane war nicht in den Stall gegangen, das wussten wir von Tim. Wahrscheinlich hatte Melike recht.
»Meinst du echt?«, fragte ich zweifelnd. »Was soll ich denn schreiben?«
»Du schreibst … äh … warte mal …«, überlegte meine Freundin laut. »Ich finde es voll daneben, dass ihr hier so über Ariane ablästert. Ich bin zwar nicht ihre Freundin, aber das ist total mies. Ich weiß das, weil es gegen mich auch eine Gruppe gegeben hat, und es ist ein Scheißgefühl!«
»Boah, was für ein Schleimkram!« Ich musste kichern, fand Melikes Vorschlag aber zugegebenermaßen gut.
»Dich werden dafür auch ein paar Leute anmachen, aber das ist egal«, behauptete Melike. Sie diktierte mir, was ich posten sollte, und ich tat es.
Ariane fehlte am nächsten Morgen in der Schule und auch für den Rest der Woche. Die Lästereien bei SVZ hatten aufgehört, die Ariane-T-Gruppe war Schnee von gestern und es gab neue, interessantere Dinge. Niemand hatte eine neue Anti-Ariane-Gruppe gegründet. Das traute sich wohl dann doch keiner, nicht einmal mein Bruder, der sich königlich über Ariane amüsiert und darüber die Geschichte mit Tim und mir vollkommen vergessen hatte. Melike sei Dank!
15. Kapitel
Ariane hatte bis zu den Ferien kein Wort mehr mit mir gewechselt. Ricky war bei ihr in Ungnade gefallen, deshalb war Tessa nun ihre einzige Busenfreundin. Ich hatte Gerüchte gehört, dass Ariane die Schule wechseln wollte, aber das hatten ihre Eltern angeblich abgelehnt.
Endlich war das Schuljahr zu Ende, vor uns lagen sechs herrliche lange Wochen Sommerferien und die fingen mit den Hessenmeisterschaften in Eschwege an. Papa und Liam würden bei den Senioren reiten, Christian und ich waren in der Junioren-Tour gemeldet und Ilona Adelmann startete mit ihrem besten Pferd Andiamo in der Junioren-Dressur. Am Donnerstag, gleich nachdem es Zeugnisse gegeben hatte, brachen wir nach Nordhessen auf, wenn auch mit gemischten Gefühlen. Erst drei Tage zuvor waren keine zwanzig Kilometer entfernt eine Stute mit
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