Elenium-Triologie
Ritter.«
Warguns Patrouillen komplizierten die Dinge außerordentlich, von den beiden Wachen vor dem Zelt ganz zu schweigen. Ghwerig entfernte sich immer weiter mit dem Bhelliom, und es sah ganz so aus, als könnte Sperber es nicht verhindern. Ihm allein mochte es zwar mit Geschick und einiger Gewalt gelingen, aus dem Lager zu verschwinden, aber was würde das nutzen? Ohne Flöte hätte er kaum eine Chance, den flüchtenden Troll aufzuspüren. Und Flöte ohne die anderen mitzunehmen, die halfen, sie zu beschützen, mochte das Mädchen in Gefahr bringen, und das durfte er nicht zulassen. Sie würden sich irgend etwas einfallen lassen müssen.
Der thalesische Krieger führte Sperber an einem Zelt vorbei, in dem thalesische Rekruten untergebracht waren, als er ein vertrautes Gesicht sah. »Occuda?« rief er ungläubig. »Seid Ihr es wahrhaftig?«
Der Riese im Lederharnisch erhob sich. Sein düsteres Gesicht verriet keine sonderliche Freude über das Wiedersehen. »Ich fürchte ja, Herr Ritter.«
»Was ist passiert? Was hat Euch gezwungen, Graf von Ghasek zu verlassen?«
Occuda blickte flüchtig auf die Männer, die das Zelt mit ihm teilten. »Könnten wir uns unter vier Augen darüber unterhalten, Ritter Sperber?«
»Selbstverständlich, Occuda.«
»Dort drüben, Euer Gnaden.«
»Ich bleibe in Sichtweite«, sagte Sperber zu seinem Aufpasser. Er entfernte sich mit Occuda von dem Zelt, und sie hielten bei einer Gruppe junger Fichten an, die so dicht standen, daß dort niemand ein Zelt hätte aufbauen können.
»Der Graf ist erkrankt, Herr Ritter«, sagte Occuda düster.
»Und Ihr habt ihn mit dieser Wahnsinnigen allein gelassen? Ihr enttäuscht mich, Occuda.«
»Die Umstände haben sich ein wenig geändert, Euer Gnaden.«
»Ach?«
»Komteß Bellina ist tot.«
»Wie ist sie gestorben?«
»Ich habe sie umgebracht«, sagte Occuda stumpf. »Ich konnte ihr nimmer endendes Kreischen nicht mehr ertragen. Anfangs haben Bellina die Kräuter, welche die erhabene Sephrenia empfahl, ein wenig beruhigt, doch bald ließ die Wirkung nach. Ich erhöhte die Dosis, aber auch das nutzte nichts. Dann, eines Abends, als ich ihr Essen durch den Schlitz zu ihrem Turmgemach schob, sah ich sie. Sie redete irr und schäumte um den Mund wie ein tollwütiger Hund. Ganz offensichtlich litt sie entsetzliche Schmerzen. Da beschloß ich, ihren Qualen ein Ende zu machen.«
»Wir wußten alle, daß es dazu kommen mochte«, sagte Sperber ernst.
»Vielleicht. Ich brachte es jedoch nicht übers Herz, sie einfach zu erschlagen. Die Kräuter beruhigten sie nicht mehr. Wohl aber die Tollkirsche. Sie hörte zu schreien auf, kaum daß ich ihr die Beeren gegeben hatte.« Tränen standen in Occudas Augen. »Ich holte meinen Fäustel und brach ein Loch in die Turmwand. Dann nahm ich meine Axt und tat, wie Ihr mir geraten hattet. Nie in meinem Leben ist mir etwas schwerer gefallen. Ich wickelte ihre Leiche in Zelttuch und trug sie aus der Burg. Ein gutes Stück entfernt habe ich sie verbrannt. Nach dem, was ich getan hatte, konnte ich dem Grafen nicht mehr unter die Augen treten. Ich gestand ihm mein Verbrechen in einem Brief, den ich so hinlegte, daß er ihn bald finden mußte. Dann begab ich mich zu der Holzfällersiedlung unweit der Burg. Ich dingte dort Diener für den Grafen. Obwohl ich ihnen versicherte, daß in der Burg keine Gefahr mehr drohte, mußte ich ihnen doppelten Lohn bezahlen, bis sie sich bereit erklärten. Dann verließ ich die Gegend und trat in diese Armee ein. Ich hoffe, der Kampf beginnt bald. Mein Leben ist verwirkt. Ich will bloß noch sterben.«
»Ihr habt nur getan, was Ihr tun mußtet, Occuda.«
»Vielleicht, aber das befreit mich nicht von meiner Schuld.«
Da traf Sperber eine rasche Entscheidung. »Kommt mit«, forderte er ihn auf.
»Wohin, Euer Gnaden?«
»Zum Patriarchen von Emsat.«
»Ich kann mit Komteß Bellinas Blut an den Händen nicht vor das Angesicht eines hohen Kirchenmannes treten.«
»Patriarch Bergsten ist Thalesier. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er zart besaitet ist.« Sperber wandte sich an den thalesischen Wachtposten. »Wir müssen mit dem Patriarchen von Emsat sprechen«, sagte er. »Bringt uns zu seinem Zelt.«
»Jawohl, Herr Ritter.«
Der Wächter führte sie durch das Lager zum Pavillon des Patriarchen. Bergstens grobknochiges Gesicht wirkte durch das vorstehende Stirnbein und Unterkieferbein im Kerzenschein besonders typisch thalesisch. Er trug noch sein Kettenhemd, hatte allerdings
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