Elenium-Triologie
den Helm mit den Ogerhörnern abgenommen und seine Streitaxt in die Ecke gelehnt.
»Eminenz«, Sperber verbeugte sich, »mein Freund hat eine Seelenpein. Vielleicht könntet Ihr ihm helfen?«
»Aus diesem Grund bin ich Geistlicher geworden«, erwiderte der Patriarch.
»Vielen Dank, Eminenz. Occuda war früher einmal Mönch, danach stand er bei einem Grafen in Nordpelosien in Diensten. Die Schwester des Grafen ließ sich von einem dämonischen Kult verführen und brachte in scheußlichen Ritualen Menschenopfer dar, die ihr gewisse Kräfte verliehen.«
Bergstens Augen weiteten sich.
Sperber fuhr fort: »Als der Komteß diese Kräfte schließlich genommen wurden, verfiel sie dem Wahnsinn, und ihr Bruder sah sich gezwungen, sie einzukerkern. Occuda versorgte sie, bis er ihre Qualen nicht mehr mitanzusehen vermochte. Aus Mitleid gab er ihr schließlich Gift.«
»Das ist eine schreckliche Geschichte, Ritter Sperber«, sagte Bergsten mit seiner tiefen Stimme.
»Es war eine furchtbare Kette von Ereignissen«, bestätigte Sperber. »Occuda schleppt nun ein schier unerträgliches Schuldbewußtsein mit sich herum und ist überzeugt, daß seine Seele verloren ist. Könnt Ihr ihm Absolution erteilen, damit er sich wieder dem Leben stellen kann?«
Der kriegerische Patriarch blickte nachdenklich in Occudas leidgezeichnetes Gesicht. Seine Augen wirkten gleichermaßen schlau wie mitleidsvoll. Er überlegte eine Weile; dann richtete er sich auf, und seine Miene wirkte hart. »Nein, Ritter Sperber, das kann ich nicht«, sagte er.
Sperber wollte protestieren, aber der Patriarch hob abwehrend eine Pranke von Hand. Er blickte den hünenhaften Pelosier an. »Occuda«, sagte er streng, »Ihr wart einmal Mönch?«
»Jawohl, Eminenz.«
»Gut, dann wird dies Eure Buße sein: Ihr werdet wieder Mönch und tretet in meinen Dienst. Wenn ich der Meinung bin, daß Ihr Eure Schuld gesühnt habt, erteile ich Euch die Absolution.«
»Eu-eure Eminenz«, schluchzte Occuda und sank auf die Knie, »wie kann ich Euch je genug danken?«
Bergsten lächelte düster. »Ihr denkt vielleicht bald anders, Bruder Occuda. Ihr werdet feststellen, daß ich ein sehr strenger Dienstherr bin. Ihr werdet sehr oft für Eure Sünde büßen, ehe Eure Seele reingewaschen ist. So, holt jetzt Eure Habe, Ihr zieht hierher zu mir.«
»Jawohl, Eminenz.« Occuda erhob sich und verließ das Zelt.
»Ich muß schon sagen, Eminenz, Ihr seid ein durchtriebener Mann!« stellte Sperber fest.
»Halb so wild, Ritter Sperber.« Der riesige Kirchenmann lächelte. »Ich habe nur genug Erfahrung, um zu wissen, daß die menschliche Seele etwas sehr Komplexes ist. Euer Freund ist überzeugt, daß er leiden muß, um seine Sünde zu büßen; erteilte ich ihm die Absolution ohne weiteres, würde er immer bezweifeln, daß er wahrhaftig davon befreit ist. Nun, wenn er also meint, daß er leiden muß, werde ich ihn leiden lassen – auf erträgliche Weise natürlich. Ich bin schließlich kein Unmensch.«
»War das, was er getan hat, wirklich eine Sünde?«
»Natürlich nicht. Er hat aus Mitleid gehandelt. Er wird einen sehr guten Mönch abgeben, und sobald ich meine, daß er genug gelitten hat, suche ich ein nettes, ruhiges Kloster irgendwo und mache ihn zum Abt. Er wird zu beschäftigt sein für dummes Grübeln, und die Kirche wird einen guten, getreuen Abt haben. Ganz zu schweigen von den Jahren, da ich kostenlos seine Dienste in Anspruch nehmen kann.«
»Ihr seid nicht gerade ein selbstloser Mann, Eminenz.«
»Das habe ich auch nie behauptet, mein Sohn. Und nun laßt mich allein, Ritter Sperber. Geht mit meinem Segen.« Der Patriarch blinzelte verschwörerisch.
»Danke, Eminenz«, sagte Sperber, ohne eine Miene zu verziehen.
Er war recht zufrieden mit sich, als er mit dem Wächter zu ihrem Zelt zurückkehrte. Er war vielleicht nicht immer imstande, seine eigenen Probleme zu lösen, aber bei denen anderer hatte er offenbar keine größeren Schwierigkeiten.
»Kring hat uns erzählt, daß das Lager ringsum patrouilliert wird«, sagte Tynian, kaum daß Sperber das Zelt betreten hatte. »Das wird unsere Flucht beträchtlich erschweren, nicht wahr?«
»Sehr erschweren!« bestätigte Sperber.
»Oh«, fügte Tynian hinzu. »Flöte wollte etwas über Entfernungen wissen. Kurik hat beim Gepäck nachgesehen, konnte aber Eure Karte nicht finden.«
»Sie steckt in meiner Satteltasche.«
»Das hätte mir aber auch einfallen können!« brummte Kurik.
»Was möchtest du denn wissen?«
Weitere Kostenlose Bücher