Elenium-Triologie
wir erst zu unseren Pferden hinunter und lassen den Zauber von dort aus wirken.«
»Ihr müßt mich noch den Spruch lehren«, sagte Sperber, während sie die Mulde mit dem Dorngestrüpp vor dem Höhleneingang durchquerten.
»Es gibt keinen Spruch. Ihr habt den Stein und die Ringe, Ihr braucht lediglich den Befehl zu geben. Wie, zeige ich Euch, sobald wir unten sind.«
Sie kletterten die steinige Klamm hinunter zur grasigen Hochebene, auf der sie die Nacht zuvor gelagert hatten. Gegen Sonnenuntergang erreichten sie die zwei Zelte und die angepflockten Pferde. Faran legte die Ohren zurück und fletschte die Zähne, als Sperber sich ihm näherte.
»Was hast du denn?« fragte Sperber sein Streitroß.
»Er wittert den Bhelliom«, erklärte Sephrenia. »Er mag ihn nicht. Bleibt Faran eine Zeitlang fern.« Sie blickte die Klamm hinauf, aus der sie eben gekommen waren. »Hier ist es sicher genug«, meinte sie. »Holt den Bhelliom hervor und haltet ihn so in den Händen, daß beide Ringe ihn berühren.«
»Muß ich mit dem Gesicht zur Höhle stehen?«
»Nein. Der Bhelliom wird wissen, was Ihr ihn zu tun heißt. Stellt Euch nur das Innere der Höhle vor – das Aussehen, die Atmosphäre, den Geruch. Stellt Euch vor, wie die Decke herabstürzt. Die Steine werden sich lösen und herabfallen. Das Donnern wird ungeheuerlich sein. Aus dem Höhleneingang wird eine gewaltige Staubwolke quellen. Der Kamm über der Höhle wird einsacken, wenn die Höhlendecke nachgibt, und wahrscheinlich werden Geröll-Lawinen herabdonnern. Ihr dürft Euch davon nicht ablenken lassen. Behaltet das Bild fest im Kopf.«
»Das ist ein wenig komplizierter als ein üblicher Zauber, nicht wahr?«
»Ja. Aber genaugenommen ist es kein Zauber. Ihr werdet elementare Magie entfesseln. Konzentriert Euch, Sperber. Je klarer Eure Vorstellung, desto stärker die Wirkung des Bhelliom. Wenn Ihr alles deutlich vor Euch seht, dann befehlt dem Stein, es geschehen zu lassen.«
»Muß ich mich in Ghwerigs Sprache verständigen?«
»Das weiß ich nicht. Versucht es zunächst mit Elenisch.«
Sperber stellte sich den Höhleneingang vor, die Vorhöhle dahinter und den langen Spiralengang, der zu Ghwerigs Schatzkammer führte. »Soll ich die Decke auch über dem Wasserfall einstürzen lassen?«
»Lieber nicht. Der Fluß kommt möglicherweise irgendwo an seinem Unterlauf an die Oberfläche. Wenn Ihr ihn dämmt, fällt es vielleicht auf, daß er nicht mehr fließt, und dann könnte jemand nach dem Grund dafür suchen. Außerdem ist diese Höhle etwas Besonderes, nicht wahr?«
»O ja!«
»Dann wollen wir sie für immer schützen.«
Sperber stellte sich vor, wie die Höhlendecke mit einem gewaltigen, mahlenden Krachen und einer ungeheueren Staubwolke einstürzte. »Was soll ich sagen?« fragte er.
»Sagt Blaurose. So hat Ghwerig den Stein genannt. Vielleicht erkennt er diesen Namen.«
»Blaurose«, befahl Sperber, »bringe die Höhle zum Einsturz!«
Die Saphirrose färbte sich augenblicklich dunkel, und tief in ihrer Mitte zuckten grellrote Blitze.
»Sie leistet Euch Widerstand«, erklärte Sephrenia. »Sie ist in der Höhle geboren und will sie nicht zerstören. Zwingt sie, Sperber.«
»Gehorche, Blaurose!« donnerte Sperber und konzentrierte seine ganze Willenskraft auf den Stein in seinen Händen. Plötzlich spürte er ungeheure Macht aufwallen, und der Saphir schien zu pulsieren. Ein leises, dumpfes Grollen erklang unter der Oberfläche, und die Erde erbebte. Das Gestein tief unter ihnen krachte, als das Beben Schicht um Schicht auseinanderriß. Hoch oben in der Klamm begann der Felsvorsprung nachzugeben, der über den Höhleneingang ragte, und in die Dornmulde zu stürzen. Das Krachen des einstürzenden Felsens war selbst aus dieser Entfernung ohrenbetäubend. Eine gigantische Staubwolke wallte von dem Schutt auf, und der Wind trieb sie nordostwärts. Und dann bewegte sich etwas, wie zuvor in der Höhle, am Rand von Sperbers Blickfeld – etwas Finsteres voll boshafter Neugier.
»Wie fühlt Ihr Euch?« fragte Sephrenia ihn angespannt.
»Ein wenig seltsam«, gestand er. »Und aus irgendeinem Grund sehr stark.«
»Laßt Euch nicht davon beeinflussen! Konzentriert Euch auf Aphrael. Denkt nicht an den Bhelliom, bis sich dieses Gefühl gelegt hat. Steckt ihn wieder ein. Blickt ihn nicht an.«
Sperber schob den Saphir in den Kittel zurück.
Kurik blickte die Klamm hinauf zu dem riesigen Schutthaufen, der die gesamte Mulde vor dem Höhleneingang füllte.
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