Elenium-Triologie
nicht vorstellen. Ich weiß aber, daß er jeden zu beeinflussen vermag – sogar den elenischen Gott und die Jüngeren Götter von Styrikum.«
»Alle, außer Aphrael«, warf Kurik ein.
Sephrenia schüttelte den Kopf. »Selbst Aphrael geriet in Versuchung, als sie den Bhelliom aus dem Abgrund zu uns emportrug.«
»Warum hat sie ihn dann nicht einfach behalten?«
»Aus Liebe. Meine Göttin liebt uns alle, deshalb überließ sie uns den Stein. Der Bhelliom versteht nichts von Liebe. Vielleicht wird die Liebe sich als unser einziger Schutz vor ihm erweisen.«
Sperber schlief in dieser Nacht sehr unruhig. Immer wieder wälzte er sich in seinen Decken herum. Kurik hatte seinen Posten nahe dem Rand des Feuerscheins bezogen, so blieb Sperber allein mit seinen Alpträumen. Er vermeinte, den Saphir vor seinen Augen in der Luft hängen zu sehen, und sein tiefblaues Glühen leuchtete lockend. Aus der Tiefe dieses Glühens drang Musik – ein Lied, das sein Innerstes aufwühlte. Und um ihn herum, so dicht, daß sie beinahe seine Schultern berührten, schwebten mehrere Schatten. Sie schienen von einem Haß erfüllt, der Wut und Hilflosigkeit entsprang. Hinter dem glühenden Bhelliom stand das abscheulich groteske Lehmabbild Azashs, das er auf Burg Ghasek zerschmettert hatte, jenes Abbild, dem Bellina ihre Seele verschrieben hatte. Das Gesicht des Idols bewegte sich, verzog sich zu abstoßenden Fratzen der niedersten Gefühlsregungen – Lust und Gier und Haß und einer alles beherrschenden Verachtung, die dem Bewußtsein entsprang, absolute Macht zu besitzen.
Sperber wehrte sich in seinem Traum. Der Bhelliom, Azash und die grauenvollen Schatten versuchten, sich seiner zu bemächtigen.
Als er zu schreien versuchte, erwachte er. Er setzte sich auf. Er war schweißüberströmt und fluchte grimmig. Ein Schlaf, der nur Alpträume brachte, konnte die Erschöpfung nicht lindern, die ihm in allen Knochen steckte. Doch er brauchte Schlaf!
Aber es begann von neuem. Wieder kämpfte er im Traum gegen den Bhelliom, gegen Azash, gegen die grauenvollen Schatten, die hinter ihm lauerten.
»Sperber«, sagte da eine helle, vertraute Stimme in seinem Ohr. »Laß dich nicht von den Schatten erschrecken. Sie können dir nichts anhaben. Sie versuchen nur, dir Angst einzujagen.«
»Warum tun sie das?«
»Weil sie Angst vor dir haben.«
»Das ist Unsinn, Aphrael. Ich bin nur ein Sterblicher.«
Ihr Lachen klingelte wie Silberglöckchen. »Du bist manchmal so naiv, Vater. Du bist anders als alle Menschen, die ich kenne. In gewisser Weise bist du mächtiger als die Götter. Aber schlaf jetzt. Ich werde dafür sorgen, daß sie dir nichts anhaben können.«
Sperber spürte einen sanften Kuß auf der Wange, und zierliche Arme schlangen sich auf eigentümlich mütterliche Weise um seinen Kopf. Die gräßlichen Alptraumbilder verloren ihre Kraft und verblaßten.
Stunden schienen vergangen zu sein, als Kurik ins Zelt kam und ihn wachrüttelte.
»Wie spät ist es?« fragte Sperber seinen Knappen.
»Um Mitternacht«, antwortete Kurik. »Wirf dir den Umhang über, es ist ziemlich kalt.«
Sperber stand auf, zog Kettenhemd und Kittel an und schnallte sich den Schwertgurt um. Dann schob er den Leinenbeutel unter den Kittel und griff nach seinem dicken Reiseumhang. »Schlaf gut«, wünschte er seinem Freund, ehe er das Zelt verließ.
Die Sterne glitzerten am Himmel, und die Mondsichel ging über der gezackten Bergkette im Osten auf. Sperber wandte der erlöschenden Glut des Lagerfeuers den Rücken, so daß seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnen konnten. Sein Atem dampfte in der frischen Gebirgsluft.
Sein Traum beunruhigte ihn immer noch, doch die Erinnerung schien allmählich zu schwinden. Eingeprägt hatte sich ihm nur die Berührung von Aphraels Lippen auf seiner Wange. Entschlossen schlug er die Tür der Kammer zu, in die er seine Alpträume verbannte, und beschäftigte sich mit anderen Gedanken.
Ohne die kleine Göttin und ihre Fähigkeit, sich die Zeit Untertan zu machen, würden sie wahrscheinlich eine Woche bis zur Küste brauchen. Und dort mußten sie erst ein Schiff finden, das sie zur deiranischen Seite der Straße von Thalesien brachte. Inzwischen hatte König Wargun zweifellos alle elenischen Reiche von ihrer Flucht unterrichtet. Sie würden auf der Hut sein müssen, um eine Festnahme zu vermeiden, doch sie mußten nach Emsat, um Talen zu holen.
Die Nachtluft in diesen Bergen war sogar im Sommer empfindlich kalt, und Sperber zog
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