Elenium-Triologie
reichte Talen den Zettel. »Bring ihn Dolmant«, wies er ihn an. »Und es ist absolut nichts dagegen einzuwenden, wenn du unterwegs grinst.«
»Ein boshaftes Grinsen, Sperber? Vielleicht ein hämisches?«
»Tu dein Bestes.« Sperber nahm ein Stück Papier, schrieb die Neuigkeit darauf und ließ sie unter seinen gepanzerten Freunden weiterreichen.
Der Primas Annias sah sich plötzlich einer Gruppe Ordensritter gegenüber, die ihn von der anderen Seite des Kirchenschiffes der Basilika angrinsten. Sein Gesicht verdunkelte sich, und er begann nervös an einem Fingernagel zu kauen.
Schließlich neigte die Trauerfeier sich doch noch ihrem Ende entgegen. Die Menge im Kirchenschiff erhob sich, um Cluvonus' Leichnam zu seiner letzten Ruhestatt in der Krypta unter der Basilika zu folgen.
Sperber blieb mit Talen kurz stehen, um auf Kalten zu warten. »Wo hast du eigentlich Rechtschreiben gelernt?« fragte er seinen alten Freund.
»Mit Rechtschreiben sollte kein wahrer Ritter sich beschäftigen, Sperber«, entgegnete Kalten von oben herab. Er schaute sich eingehend um, um sich zu vergewissern, daß niemand sie hören konnte, dann flüsterte er: »Wo bleibt bloß Wargun?«
»Keine Ahnung«, wisperte Sperber zurück. »Vielleicht mußten sie ihn erst ausnüchtern. Warguns Orientierungssinn ist nicht sehr gut, wenn er getrunken hat.«
»Wir sollten uns rasch einen Ersatzplan einfallen lassen, Sperber. Die Hierokratie wird die Sitzung fortführen, sobald Cluvonus im Sarkophag liegt.«
»Wir haben genügend Stimmen, um Annias' Sieg zu vereiteln.«
»Er wird nur zwei Abstimmungen brauchen, um das zu erkennen, mein Freund. Spätestens dann wird er etwas unternehmen – und wir sind hier arg in der Minderheit.« Kalten blickte zu den schweren Holzbalken an der Treppe zur Krypta.
»Vielleicht sollte ich Feuer an die Basilika legen«, meinte er.
» Bist du wahnsinnig? «
»Es würde die Dinge verzögern, Sperber, und wir brauchen dringend eine Verzögerung.«
»Ich glaube nicht, daß wir so weit gehen müssen. Behalten wir diese fünf Patriarchen einstweilen als Trümpfe im Ärmel. Talen, wie sieht es ohne ihre Stimmen für uns aus?«
»Dann sind es insgesamt hundertfünfzehn Wähler, und neunundsechzig Stimmen sind für den Sieg erforderlich.«
»Eine Stimme würde Annias dann immer noch fehlen – selbst wenn er die Neutralen kaufen kann. Wenn er sich dem Erfolg so nahe sieht, wird er wahrscheinlich jegliche Konfrontation unterlassen. Kalten, geh mit Perraine zum Ordenshaus und hol die fünf Patriarchen. Steck sie in Rüstungen, so daß man sie nicht erkennen kann. Dann stell einen Trupp von fünf Rittern zusammen und bring sie hierher, aber setz sie einstweilen in irgendeinem Gemach in der Nähe ab. Dolmant kann dann entscheiden, wann er sie braucht.«
»Gut.« Kalten grinste boshaft. »Wir haben Annias geschlagen, nicht wahr, Sperber?«
»Sieht so aus. Aber warten wir mit unserem Freudenfest, bis wirklich ein anderer auf dem Thron sitzt. Und jetzt mach schon!«
Als die rotgewandeten Hierokraten die Sitzung wieder aufnahmen, wurden zunächst Reden gehalten, hauptsächlich Eulogien von Patriarchen, die zu unbedeutend für die Teilnahme an der Trauerzeremonie im Kirchenschiff gewesen waren. Die des Patriarchen Ortzel von Kadach in Lamorkand, Baron Alstroms Bruder, war besonders lange und ermüdend. Die Sitzung wurde schon früh beendet und am nächsten Morgen wieder aufgenommen. Die Patriarchen, die gegen Annias waren, hatten sich am vergangenen Abend zusammengesetzt und Ortzel zu ihrem Bannerträger gemacht. Sperber hatte zwar, was Ortzel betraf, nach wie vor ernste Bedenken, doch er behielt sie für sich.
Dolmant hielt die fünf Patriarchen, die doch noch den Mut zur Rückkehr gefunden hatte, in Reserve. In nicht gerade zusammenpassende Rüstungsteile gekleidet saßen sie mit einem Trupp Ordensritter in einem Aufenthaltsraum unweit des Audienzsaals.
Nachdem die Hierokraten zur Tagesordnung übergegangen waren, erhob Patriarch Makova sich und nominierte den Primas Annias von Cimmura als Kandidaten für das Amt des Erzprälaten. Seine Nominierungsrede dauerte fast eine Stunde, doch der Applaus war nicht gerade stürmisch. Danach erhob Dolmant sich und nominierte Ortzel. Dolmants Rede war feuriger und erntete begeisterteren Beifall.
»Wird jetzt gewählt?« wisperte Talen Sperber zu.
»Ich weiß nicht«, gestand Sperber. »Das hängt von Makova ab. Er hat gegenwärtig den Vorsitz.«
»Ich würde wirklich gern bei
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