Elenium-Triologie
Delada«, antwortete Sperber. »Ich habe auch noch nie eines gesehen, im Gegensatz zu Bevier, der mir versicherte, daß sie mindestens so groß wie ein mittleres Haus sind.«
»Und sie können damit wahrhaftig Steine von der Größe eines Ochsen schleudern?«
»So hat man mir berichtet.«
»Wo soll das nur hinführen?«
»Sie nennen es Fortschritt, mein Freund«, sagte Sperber sarkastisch.
»Die Welt wäre ein besserer Ort, würde man alle Wissenschaftler und Techniker aufhängen, Ritter Sperber.«
»Und die Advokaten dazu.«
»O ja, die Advokaten auf jeden Fall. Jeder will sämtliche Advokaten hängen.« Delada kniff die Augen zusammen. »Weshalb tut ihr in meiner Gegenwart eigentlich alle so geheimnisvoll, Sperber?«
»Wir müssen Eure strikte Neutralität schützen, Delada. Ihr werdet etwas sehen – und, wie wir hoffen, auch hören –, das sehr wichtig ist. Später wird man Euch rufen, Zeugnis darüber abzulegen. Dann werden einige Personen mit allen Mitteln versuchen, Eure Aussage in Zweifel zu ziehen.«
»Das sollen sie besser lassen!« sagte der Oberst hitzig.
Sperber lächelte. »Wenn Ihr zuvor keine Ahnung habt, was Ihr sehen und hören werdet, kann niemand Eure Unparteilichkeit in Frage stellen.«
»Ich bin nicht dumm, Sperber, und ich habe Augen. Es hat mit der Wahl zu tun, nicht wahr?«
»Zur Zeit hat so gut wie alles in Chyrellos mit der Wahl zu tun, Delada – außer vielleicht die Belagerung da draußen.«
»Und ich würde nicht allzu hoch darauf setzen, daß die Belagerung nicht auch damit zusammenhängt.«
»Das ist eines der Dinge, über die wir besser nicht reden sollten, Oberst.«
»Aha!« trumpfte Delada auf. »Genau, wie ich dachte!«
Sperber spähte über die Mauer. Das Entscheidende war, die geheime Absprache zwischen Martel und Annias zweifelsfrei zu beweisen. Doch Sperber hatte seine Bedenken. Falls aus dem Gespräch zwischen dem Primas von Cimmura und dem ehemaligen Pandioner Martels Identität nicht hervorging, würde Delada der Hierokratie lediglich von einer höchst verdächtigen Unterhaltung zwischen Annias und einem Fremden berichten können, dessen Name nicht gefallen war. Emban, Dolmant und Ortzel waren jedoch unerbittlich gewesen. Delada durfte auf keinen Fall etwas mitgeteilt werden, das sich auf seine Zeugenaussage auswirken könnte. Besonders Patriarch Emban hatte Sperber enttäuscht. Der fette Kirchenmann war in jeder anderen Beziehung verschlagen und hinterlistig. Warum hatte gerade bei diesem kritischen Punkt sein sittliches Empfinden versagt?
»Es geht los, Sperber!« rief Kalten von der fackelbeleuchteten Mauer. »Die Rendorer kommen, unsere Hindernisse aus dem Weg zu räumen.«
Das Dach war etwas höher als die Mauer, so konnte Sperber gut über die Befestigungsanlage blicken. Die Rendorer stürmten herbei, heulend wie immer. Ohne auf die erkennbaren Giftflecken an den Stacheln der Igel zu achten, rollten sie die Hindernisse aus dem Weg. Von religiöser Ekstase erfüllt gingen manche sogar soweit, sich unnötigerweise auf die vergifteten Spitzen zu werfen. Bald waren breite Gassen geräumt, und die mächtigen Belagerungstürme rollten durch die immer noch rauchende Neustadt auf die Altstadtmauer zu.
Sperber konnte sehen, daß die Belagerungstürme aus dicken Brettern errichtet waren. Feste Rinderfelle bedeckten sie, die so oft in Wasser getaucht worden waren, daß noch immer wahre Bäche hinabrannen. Es würde keinem Pfeil oder Armbrustbolzen gelingen, durch die Planken zu dringen, und weder siedendes Pech noch Naphtha könnten die triefenden Felle in Brand setzen. Martel begegnete wirkungsvoll jeder ihrer Verteidigungsmaßnahmen.
»Erwartet Ihr tatsächlich, daß es zum Kampf in der Basilika kommt, Ritter Sperber?« fragte Delada.
»Wir können nur hoffen, daß es uns erspart bleibt, Oberst«, erwiderte Sperber. »Trotzdem ist es besser, darauf vorbereitet zu sein. Ich bin Euch wirklich dankbar, daß Ihr Eure Gardisten im Keller postiert habt – besonders, da ich Euch leider nicht sagen darf, weshalb wir die Männer dort brauchen. Ohne Eure Gardisten hätten wir Soldaten von der Mauer abziehen müssen.«
»Ich hoffe, Ihr wißt, was Ihr tut, Sperber«, sagte der Oberst düster. »Die ganze Abteilung unter den Befehl Eures Knappen zu stellen, hat meinen Unterführer ein wenig verärgert.«
»Es war eine taktische Entscheidung, Oberst. In dem hallenden Keller würden Eure Männer gebrüllte Befehle gar nicht verstehen. Kurik und ich sind schon lange
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