Elenium-Triologie
bei Dolmant. »Ich sprach unüberlegt. Auf dem Scheiterhaufen verbrennen, sagtet Ihr?«
»Das wäre das mindeste, Ehlana«, antwortete Dolmant.
»Ich werde mich natürlich unserer Heiligen Mutter fügen. Lieber würde ich sterben, als den Eindruck von Unbotmäßigkeit erwecken.«
»Die Kirche weiß Eure Fügsamkeit zu würdigen, meine Tochter«, sagte Dolmant mild.
Ehlana faltete fromm die Hände und bedachte ihn mit einem zerknirschten Lächeln, das keineswegs echt wirkte.
Dolmant lachte gegen seinen Willen. »Ihr seid ein unartiges Mädchen, Ehlana«, tadelte er.
»Ja, Eminenz«, gab sie zu. »Ich glaube, das bin ich.«
»Sie ist eine sehr gefährliche Frau, meine Freunde«, erklärte Wargun seinen Brudermonarchen. »Ich denke, wir sollten alle sorgsam darauf achten, ihr nicht in die Quere zu kommen. Also gut, wie geht es jetzt weiter?«
Emban rutschte etwas tiefer in seinen Stuhl und tippte die wulstigen Fingerspitzen zusammen. »Wir haben uns so gut wie darauf geeinigt, daß wir die Frage des neuen Erzprälaten jetzt ein für allemal klären sollten. Und zwar bereits ehe Ihr die Stadt betreten habt. Ihr werdet wohl einige Zeit für Vorbereitungen brauchen, bis Eure Streitkräfte nach Mittellamorkand aufbrechen können, nicht wahr?« fragte er.
»Mindestens eine Woche«, antwortete Wargun düster, »vielleicht sogar zwei. Ich habe noch verstreute Einheiten in halb Arzium – hauptsächlich Nachhut und Nachschub und einige Versprengte. Es wird eine Zeitlang dauern, sie zu formieren.
Und es hält sehr auf, wenn Truppen Brücken überqueren müssen.«
»Wir können Euch im Höchstfall zehn Tage geben«, sagte Dolmant. »Ihr könnt sie unterwegs formieren.«
»Das ist gegen alle Regel, Eminenz«, wandte Wargun ein.
»Diesmal muß es sein, Majestät. Auf dem Marsch verbringen die Soldaten mehr Zeit mit Herumsitzen und Warten als mit der Marschiererei selbst. Nutzt diese Zeit.«
»Laßt Eure Soldaten nicht in die Heilige Stadt hinein«, fügte Patriarch Ortzel hinzu. »Die meisten Bürger sind geflohen; infolgedessen ist die Stadt ziemlich verlassen. Wenn Eure Soldaten abgelenkt werden, weil sie sich in den leeren Häusern umsehen, mag es etwas schwierig werden, sie zusammenzutrommeln, wenn die Zeit zum Abmarsch gekommen ist.«
»Dolmant«, sagte Emban, »Ihr habt jetzt den Vorsitz in der Hierokratie. Ich glaube, wir sollten gleich morgen früh eine Sitzung abhalten und dafür sorgen, daß unsere Brüder sich heute nicht mehr in die Neustadt begeben – zu ihrer eigenen Sicherheit natürlich, denn es könnten sich immer noch einige von Martels Söldnern in den Ruinen versteckt haben. Hauptsächlich aber, weil es besser ist, wenn sie sich noch kein klares Bild von den Schäden an ihren Häusern machen können, ehe wir morgen zur Wahl schreiten. Wir haben ziemlich viele Patriarchen gegen uns aufgebracht, und auch ohne Annias könnte es die Dinge unnötig komplizieren, wenn sie sich zusammenrotten. Ich finde, wir sollten eine Messe in der Basilika lesen, bevor wir unsere Sitzung beginnen. Irgend etwas Feierliches, vielleicht eine Dankmesse für die Errettung. Ortzel, würdet Ihr sie zelebrieren? Ihr seid unser Kandidat. Geben wir allen die Gelegenheit, sich daran gewöhnen, Euch vor Augen zu haben. Und, Ortzel, versucht, hin und wieder zu lächeln. Glaubt mir, das wird Eurem Gesicht nicht schaden.«
»Wirke ich denn wirklich so streng, Emban?« fragte Ortzel mit einem halben Lächeln.
»Perfekt!« lobte Emban. »Übt dieses Lächeln im Spiegel. Denkt daran, daß Ihr ein gütiger, liebender Vater sein werdet – zumindest möchten wir, daß man das denkt. Was Ihr tut, nachdem Ihr auf dem Thron sitzt, müßt Ihr mit Gott abmachen. Wie auch immer, die Messe wird unsere Brüder daran erinnern, daß sie in erster Linie Kirchenmänner sind, und Hauseigentümer erst in zweiter. Vom Kirchenschiff aus marschieren wir direkt zum Ratssaal. Ich werde mit dem Chorleiter sprechen, damit eine Menge Gesang durch die Basilika hallt – etwas Erhebendes, das unsere Brüder in die angemessene Stimmung bringt. Dolmant wird die Sitzung eröffnen, und wir fangen mit einem Rückblick an – damit alle in Einzelheiten erfahren, was geschehen ist. Das ist vor allem für die Patriarchen nötig, die sich seit Beginn der Belagerung in Kellern verkrochen hatten. Unter diesen Umständen ist es durchaus zulässig, Zeugen hinzuzuziehen. Ich wähle sie aus, um mich vergewissern zu können, daß sie imstande sind, anschaulich zu erzählen.
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