Elenium-Triologie
Kurve bogen, sahen sie vermutlich gar nicht. Tels gleichmütiger Schütze war so gut, wie er behauptet hatte. Die beiden Männer kippten aus den Sätteln; einer am Straßenrand, der andere stürzte in die Klamm. Ihre Pferde preschten weiter, hielten jedoch an, als sie die Straße von Tels Männern blockiert sahen.
Der Schütze verfehlte einen der beiden nächsten Halunken, die um die scharfe Kurve bogen. »Er hat sich geduckt«, brummte er. »Wollen doch sehen, ob er dem hier auch ausweichen kann!« Er schoß aufs neue, und sein Pfeil bohrte sich in die Stirn des Räubers. Der Mann fiel rücklings vom Pferd und blieb auf der Straße liegen.
Dann preschte ein ganzer Trupp um die Kurve. Der Schütze deckte sie mit mehreren Pfeilen ein; dann rief er: »Jetzt seid ihr dran, Tel! Sie kommen ein wenig zu schnell.«
»Los!« brüllte Tel. Er legte seine Pike beinahe in der Manier eines gepanzerten Ritters unter den Arm.
Tels Männer hatten ein Sammelsurium an Waffen, aber sie bedienten sich ihrer gekonnt.
Da Faran das bei weitem kräftigste und schnellste Pferd ihrer Schar war, gewann Sperber ein gutes Stück Vorsprung und fuhr wie ein Donnerschlag mitten in den überraschten Trupp. Er schwang sein Schwert in mächtigen Hieben, die den Räubern, die allesamt ohne Rüstung waren, tiefe Wunden schlugen. Zwei versuchten vergebens mit rostigen Schwertern zu parieren, doch Sperber war ein geübter Fechter, der den Angriffspunkt selbst mitten im Schwung noch ändern konnte. So stürzten die beiden heulend auf die Straße und langten nach den Stummeln ihres rechten Arms.
Ein Rotbärtiger, der an der Spitze des Trupps geritten war, warf sein Pferd herum und floh. Da jagte Tel mit flatterndem Haar und gesenkter Pike an Sperber vorbei, und die beiden verschwanden um die Biegung.
Tels Männer folgten Sperber und räumten unter dem Rest des Trupps auf.
Sperber ritt um die Biegung. Tel hatte den Rotbärtigen inzwischen mit der Pike aus dem Sattel gehoben. Die Waffe ragte aus dem Rücken des Mannes, der sich windend auf der Straße lag. Tel saß ab und hockte sich neben dem Verwundeten auf die Fersen.
»Ist anders gekommen, als du gedacht hast, eh, Dorga?« Sein Tonfall war beinahe freundlich. »Ich hab' dir schon lange gesagt, daß Wegelagerei eine gefährliche Sache ist.« Dann zog er die Pike aus dem Rücken seines ehemaligen Hauptmanns und stieß ihn mit dem Fuß über den Simsrand. Dorgas Verzweiflungsschreie verloren sich in der Tiefe der Klamm.
»Tja«, wandte Tel sich an Sperber. »Das wär's dann wohl. Reiten wir hinunter. Es ist noch ein gutes Stück bis Heid.«
Tels Männer entledigten sich der Toten und Verwundeten, indem sie diese in die Klamm warfen.
»Jetzt ist nichts mehr zu befürchten«, versicherte Tel. »Du und du und du«, er deutete mit dem Finger auf die Männer, »bleibt hier und sammelt die Pferde ein. Es dürfte ein guter Preis für sie zu bekommen sein. Ihr übrigen kommt mit uns. Bereit, Sperber?« Er ritt voraus die Straße hangab.
Die Tage zogen sich dahin, während sie durch das menschenleere Gebirge von Mittelthalesien ritten. Einmal zügelte Sperber Faran, um eine Weile neben Sephrenia und Flöte zu trotten. »Nach meiner Rechnung reiten wir bereits fünf Tage auf dieser Straße«, wandte er sich an das kleine Mädchen. »Wieviel Zeit ist wirklich vergangen?«
Flöte lächelte und hob zwei Finger.
»Du spielst wieder mit der Zeit, nicht wahr?«
»Natürlich«, antwortete sie. »Du hast mir das versprochene Kätzchen nicht gekauft, also muß ich mit etwas anderem spielen.«
Da gab er es auf. Nichts auf der Welt ist unveränderlicher als der Lauf der auf- und untergehenden Sonne, doch Flöte war offenbar imstande, selbst das nach Belieben zu ändern. Sperber war Beviers Bestürzung nicht entgangen, als Flöte geduldig versucht hatte, ihm das Unerklärliche zu erklären. Diese Blöße wollte Sperber sich nicht geben.
Es war scheinbar ein paar Tage später – Sperber hätte keinen Eid auf die Länge der vergangenen Zeitspanne schwören mögen –, als der flachshaarige Tel gegen Sonnenuntergang sein Pferd neben das Sperbers lenkte. »Der Rauch dort unten steigt aus den Schornsteinen von Heid auf«, erklärte er. »Meine Männer und ich kehren jetzt um. Ich fürchte, in Heid ist immer noch eine Belohnung auf meinen Kopf ausgesetzt. Das Ganze ist natürlich ein Mißverständnis, aber Erklärungen sind zu umständlich – vor allem, wenn man mit einer Schlinge um den Hals auf einer Leiter
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