Elenium-Triologie
überhaupt nicht auf die Welt kommen lassen sollten. Ich mußte jahrhundertelang auf die anderen einreden, um sie zu überzeugen, daß wir dich wirklich brauchen.« Sie blickte an sich hinab. »Ich werde aufpassen müssen, daß ich normal wachse. Ich war zuvor Styrikerin, und Styriker sind an solche Dinge gewöhnt. Ihr Elenier seid leicht aus der Fassung zu bringen, und die Leute würden wahrscheinlich hinter vorgehaltener Hand reden, wenn ich ein paar Jahrhunderte ein Kind bleibe. Ich fürchte, diesmal werde ich es richtig machen müssen.«
»Diesmal?«
»Was hast du denn gedacht? Ich wurde schon Dutzende Male geboren.« Sie rollte die Augen. »Das erhält mich jung.« Ihr Gesichtchen wurde ernst. »Etwas Furchtbares ist im Azashtempel geschehen, Vater, und ich mußte mich eine Zeitlang davor verstecken. Mutters Schoß war ideal dafür. Ich fühlte mich so sicher und geborgen.«
»Dann wußtest du, was in Zemoch geschehen würde«, sagte er anklagend.
»Ich wußte, daß etwas geschehen würde, also traf ich Vorkehrungen für alle Möglichkeiten.« Sie spitzte nachdenklich die rosigen Lippen. »Es könnte recht interessant werden«, murmelte sie. »Ich war noch nie eine Erwachsene und erst recht keine Königin. Ach, wäre meine Schwester doch hier! Ich würde mich gern mit ihr darüber unterhalten.«
»Wer ist deine Schwester?«
»Sephrenia«, erklärte sie ein wenig abwesend. »Sie war die älteste Tochter meiner letzten Eltern. Es ist schön, eine ältere Schwester zu haben, weißt du. Sie war immer schon so unendlich weise, und sie hat mir stets verziehen, wenn ich etwas Törichtes getan habe.«
Unzählige Fragen fanden dadurch eine Antwort. »Wie alt ist Sephrenia denn?« erkundigte Sperber sich mit leiser Stimme.
Aphrael seufzte. »Du weißt genau, daß ich das nicht beantworten werde, Sperber. Außerdem wüßte ich es sowieso nicht. Die Jahre bedeuten für uns nicht soviel wie für euch. Mehrere hundert Jahre ist sie auf jeden Fall alt, vielleicht tausend – was immer das heißt.«
»Wo ist sie jetzt?«
»Sie und Vanion haben sich gemeinsam zurückgezogen. Du hast doch gewußt, was sie füreinander empfinden, nicht wahr?«
»Ja.«
»Na, bitte. Manchmal benutzt du deine Augen also doch.«
»Was tun sie?«
»Sie sehen für mich nach dem Rechten. Ich selbst bin jetzt anderweitig beschäftigt, und irgend jemand muß sich ja um die Geschäfte kümmern. Sephrenia kann Gebete ebensogut erhören wie ich, und so viele Anhänger habe ich ja nicht.«
»Muß sich bei dir alles so selbstverständlich anhören?« beklagte er sich.
»Aber das ist es doch, Vater. Nur euer elenischer Gott nimmt sich so schrecklich ernst. Ich habe ihn noch kein einziges Mal lachen gesehen. Meine Anbeter sind viel verständnisvoller. Sie lieben mich, deshalb stören meine Fehler sie nicht.« Sie lachte plötzlich, kletterte auf seinen Schoß und küßte ihn. »Du bist der beste Vater, den ich je hatte, Sperber. Ich kann mit dir über diese Dinge reden, ohne daß dir gleich die Augen aus dem Kopf fallen.« Sie schmiegte ihr Köpfchen an seine Brust. »Was geht denn draußen vor, in der Welt, Vater? Ich weiß, daß die Dinge nicht so sind, wie sie sein sollten, aber jedesmal, wenn jemand kommt, um dir Bericht zu erstatten, steckt Mirtai mich ins Bett.«
»Es steht wirklich nicht zum besten, Aphrael«, sagte er ernst. »Das Wetter war schlecht. Es gab Hungersnöte und Seuchen. Nichts ist so, wie es sein sollte. Wäre ich abergläubisch, würde ich sagen, die ganze Welt hat eine anhaltende Pechsträhne.«
»Das ist die Schuld meiner Familie, Sperber«, gestand sie. »Nach dem, was mit Azash geschah, fingen wir an, uns schrecklich zu bemitleiden. Darüber haben wir unsere üblichen Pflichten vernachlässigt. Ich glaube, es ist an der Zeit, daß wir alle erwachsen werden. Ich werde mit den anderen reden und lasse dich dann wissen, was wir beschlossen haben.«
»Dafür wäre ich dir dankbar.« Sperber konnte nicht so recht glauben, daß sie dieses Gespräch wahrhaftig führten.
»Wir haben allerdings ein kleines Problem«, gab Aphrael zu bedenken.
»Nur eines?«
»Bitte, keine dummen Bemerkungen. Ich meine es ernst. Was sollen wir Mutter sagen?«
»Oh, Himmel!« sagte er bestürzt. »Daran hatte ich überhaupt nicht gedacht.«
»Wir müssen sofort eine Entscheidung treffen, weißt du. Dabei mag ich es gar nicht, wenn ich etwas überstürzen muß. Es würde ihr sehr schwerfallen, die Wahrheit zu glauben, meinst du nicht? Vor
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