Elenium-Triologie
Dann fing sie an, über Bhelliom zu sprechen. Es war sehr tiefgründig, und ich habe nur wenig davon verstanden.«
Sperber erinnerte sich. Der Traum war also nicht auf ihn und seine Gefährten beschränkt gewesen. Aber weshalb hatte Aphrael Ehlana einbezogen?
»Das war in etwa das Ende dieses Traums«, fuhr sie fort.
»Und den nächsten kennst du so gut wie ich.«
»So?«
»Du hast ihn mir eben beschrieben, bis zur letzten Einzelheit. Aus irgendeinem Grund träumte ich alles, was im Azashtempel in Zemoch geschehen ist. Mir sind Schauder über den Rücken gelaufen, als du es mir erzählt hast.«
»Zerbrich dir nicht den Kopf darüber.« Er bemühte sich um einen gleichmütigen Tonfall. »Wir sind einander sehr nahe, weißt du. Da ist es wirklich nicht ungewöhnlich, daß du meine Gedanken kennst.«
»Meinst du das ernst?«
»Natürlich. So etwas kommt immer wieder vor. Du kannst jede verheiratete Frau fragen. Sie wird dir sagen, daß sie immer weiß, was in ihrem Mann vorgeht.«
»Hm«, murmelte sie zweifelnd. »Vielleicht.« Sie schmiegte sich noch dichter an ihn. »Sehr zärtlich bist du aber heute nicht«, beklagte sie sich. »Liegt es daran, daß ich dick und häßlich werde?«
»Natürlich nicht. Aber du mußt dich schonen. Mirtai hat mich mehrmals ermahnt, nur ja vorsichtig zu sein. Sie sticht mir die Leber aus, wenn sie glaubt, daß ich dir weh getan habe.«
»Mirtai ist nicht hier, Sperber!«
»Aber sie ist trotzdem die einzige mit einem Schlüssel zu dieser Tür.«
»O nein, ist sie nicht«, sagte Ehlana selbstzufrieden und langte unter ihr Kopfkissen. »Die Tür läßt sich von jeder Seite verschließen und nur öffnen, wenn sie auf beiden Seiten aufgesperrt ist.« Sie reichte ihm einen großen Schlüssel.
»Eine sehr nützliche Tür.« Er lächelte. »Wie wär's, wenn ich einfach ins andere Gemach laufe und sie von dieser Seite zusperre?«
»Ja, tu das. Und verirr dich auf dem Weg zurück ins Bett nicht. Mirtai hat dir gesagt, du sollst vorsichtig sein, also mußt du das nun eine Zeitlang üben.«
Später – eine ziemliche Zeit später – stahl Sperber sich aus dem Bett und trat ans Fenster, um in die regnerische Nacht hinauszuschauen. Es war vorbei. Er würde jetzt nicht mehr vor Sonnenaufgang aufstehen, um die verschleierten Frauen von Jiroch im stahlgrauen Licht des Morgengrauens zum Brunnen gehen zu sehen. Er würde nicht mehr auf fremden Straßen in fernen Ländern reiten mit der Saphirrose an seinem Herzen. Er war zurückgekehrt, älter und trauriger, gewiß, und sich vieler Dinge, die er früher für selbstverständlich erachtet hatte, weniger sicher. Doch er war endlich heimgekommen. Seine Kriege waren zu Ende, hoffte er, seine Reisen abgeschlossen. Sie nannten ihn Anakha, den Mann, der sein eigenes Geschick schmiedet, und er sagte sich mit grimmiger Entschlossenheit, daß er seine Bestimmung hier in dieser unschönen Stadt gefunden hatte, bei der schönen jungen Frau, die nur ein paar Schritte entfernt schlief.
Es tat gut, dies zu wissen, und mit einem Gefühl der Genugtuung kehrte er zu seiner Gemahlin ins Bett zurück.
EPILOG APHRAEL
Der Frühling kam in diesem Jahr nur widerwillig, und ein unerwarteter Spätfrost vernichtete die Blüten aller Obstbäume. Der Sommer war naß und trüb und die Ernte gering.
Die Armeen Westeosiens kehrten aus Lamorkand zurück, um sich sogleich der undankbaren Aufgabe zu widmen, auf kargen Äckern zu fronen, wo lediglich Disteln üppig gediehen. In Lamorkand kam es zum Bürgerkrieg, doch das war nichts Ungewöhnliches. In Pelosien fand ein Aufstand der Leibeigenen statt, und die Zahl der Bettler vor den Kirchen und Stadttoren wuchs drastisch.
Sephrenia nahm die Nachricht von Ehlanas Schwangerschaft mit Erstaunen auf. Die unleugbare Tatsache, daß die junge Königin guter Hoffnung war, schien sie sehr zu verblüffen, und diese Verblüffung machte sie launenhaft, ja reizbar. Schließlich gebar Ehlana ihr erstes Kind, eine Tochter, die sie und Sperber Danae nannten. Sephrenia untersuchte das Neugeborene gründlich, und irgendwie hatte Sperber das Gefühl, daß seine Lehrerin es beinahe als persönliche Kränkung empfand, daß Prinzessin Danae völlig normal und kerngesund war.
Mirtai änderte ungerührt den Tagesplan der Königin, indem sie Ehlanas übrigen königlichen Pflichten das Stillen hinzufügte. Es sollte hier erwähnt werden, daß Ehlanas Kammerfrauen Mirtai aus Eifersucht haßten, obgleich die Riesin nie eine von ihnen angegriffen
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