Elf Zentimeter
Österreich allerdings fand ich keine, dafür aber in einer deutschen Kleinstadt.
Einmal hinlegen und alles wäre gut. Es war so verlockend. Einer der Urologen, die ich konsultiert hatte, hatte es bereits erwähnt: Eine Penisverlängerung war eine kosmetische Operation, und kosmetische Operationen waren keine große Sache mehr. Sie waren Routine. Sie gehörten fast schon zum guten Ton. Augenlider, Nase, Lippen, Kinn, Brüste – alles wurde operiert. Manche Frauen übertrieben dabei und sahen dann erschreckend aus. Das schäbige Trachten nach ewiger Jugend machte sie zu modernen Frankensteins. Die gespannte Haut über ihren entstellten Gesichtern mit den merkwürdigen Ausbeulungen manifestierte auf traurige Weise den Zustand des Zwiespalts zwischen Körper und Seele.
Aber ein Schwanz muss nicht schön sein. Er muss nur lang und nach Möglichkeit dick sein. Ein paar Spuren des Lebens machen ihn womöglich sogar attraktiver.
Natürlich musste ich mich mit den gesundheitlichen Risiken befassen. Ich wäre dumm gewesen, wenn ich das nach meinen Erfahrungen mit den Eigenbau-Methoden unterlassen hätte. Ich war mir aber nicht sicher, ob ich die Warnungen auch ernstnehmen würde.
Auch bei anderen kosmetischen Operationen gab es immer warnende Stimmen. Dennoch waren mir abgesehen vom Zombie-Look, den die Frauen gegen die Erotik und die Würde des Älterwerdens tauschten, keine ernsten Probleme bekannt. Gut, operierte Brüste konnten bei Flugreisen platzen. Aber das sollte mich nicht weiter stören.
Es galt auch, die richtige Operation für mich zu finden. Die Paraffin-Injektion zum Beispiel hörte sich verlockend einfach an. Noch dazu hatte sie ein Österreicher erfunden, was mein Vertrauen nährte. Der menschliche Körper resorbiert Paraffin nicht, weshalb es sich dafür eignet, einem zu klein geratenen Schwanz etwas nachzuhelfen. Ein bisschen zu denken gab mir allerdings ein Vermerk auf Wikipedia, dem zufolge die Methode nur noch in Korea und in osteuropäischen Ländern angewendet wird, und zwar vorwiegend von Nicht-Medizinern. Die aktuellste Studie über Nebenwirkungen stammte auch aus Korea. Die Augen vor ihren Ergebnissen zu verschließen war schwierig. Bei einem Großteil der Patienten hatten sich früher oder später sogenannte Paraffinome gebildet. Dabei handelt es sich um Verformungen des Penis, die ihn für sexuelle Kontakte unbrauchbar machen und die mit großen Schmerzen verbunden sind. Paraffinome lassen den Schwanz aussehen wie einen vergammelten Herrenpilz. Das gestockte Paraffin muss herausgeschnitten werden, was schmerzhaft ist und hässliche Narben hinterlässt.
Es gibt aber auch eine Art Bio-Variante, bei der statt Paraffin Eigenfett zur Anwendung kommt. Fettgewebe wird aus anderen Stellen des Körpers entnommen und im Schwanz eingesetzt. Ein bisschen weniger Bauch also, und dafür etwas mehr Schwanz. Ich stellte mir vor, wie ich Sabine während dem Liebesakt ins Ohr flüsterte, dass es in Wirklichkeit mein Bauch war, mit dem ich sie gerade beglückte. Vermutlich wäre sie schreiend davongerannt und womöglich sogar in ein Kloster eingetreten, damit ihr so etwas nie wieder passieren konnte. Aber das war egal. Ich war zwar noch nie gut im Bewahren von Geheimnissen gewesen, aber irgendwann wollte ich das sowieso lernen.
Routine schien die Eigenfett-Methode aber noch nicht zu sein. Sie war nur etwas für Spezialisten unter den Ärzten. Sie mussten zum Beispiel ganz genau wissen, welches Fettgewebe sich für die Transplantation eignete. Also vielleicht doch nicht Bauch. Das machte im Prinzip wenig Unterschied.
»Das in dir, mein Schatz, ist eigentlich meine linke Schulter.«
Das war auch nicht besser.
Wenn die Ärzte etwas falsch machten, würde das Ganze allerdings umsonst gewesen sein. Dann würde mein Körper das überschüssige Fett absorbieren und nach und nach den alten Zustand wiederherstellen. Ich las aber, dass die Ärzte in Deutschland behaupteten, den richtigen Dreh herausgefunden zu haben. Allerdings verkauften sie weniger Länge als Durchmesser.
Prothesen kamen für mich zum Glück nicht in Betracht. Sie sind für Patienten gedacht, die an totaler Impotenz, meist in Folge einer krebsbedingten Prostata-Entfernung, leiden. Sie bekommen eine Art Erektionsautomaten. Unter ihre nicht mehr funktionstüchtigen Schwellkörper werden künstliche implantiert. Mittels einer im Hodensack versteckten Pumpe kann der Patient seinen Schwanz versteifen. Das geht angeblich ganz einfach und unauffällig.
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