Elfen und Goetter (Die Saga von Edro und Mergun - Komplettausgabe)
sich nicht mehr um das Schicksal der Sterblichen gekümmert, hatte nur für sich gelebt, in der Abgeschiedenheit eines Gottes. Dann war er auf diesen Berg gekommen, die Residenz der Götter, hatte Lari gefunden, die er liebte und die - obwohl Göttin - doch so wenig göttlich war. Für kurze Zeit hatte sie ihn glauben gemacht, hier vielleicht glücklich sein zu können.
Aber er konnte es nicht. Die finsteren Andeutungen über kommenden Untergang und zukünftiges Verderben, die Xilef über seine Lippen hatte gehen lassen, waren der erste Anstoß gewesen. Und nun die beunruhigenden Nachrichten, die Kriin, der Götterbote, aus den Niederungen der Sterblichen brachte. Ein Krieg - nicht irgendein lokaler Konflikt, wie sie täglich ausgetragen wurden - sondern ein gewaltiges Blutvergießen ungeahnten Ausmaßes, dessen Dimension vielleicht noch gar nicht abzusehen war... Das unweigerlich kommende Leid, das über die Sterblichen gebracht werden würde, war es, was Mergun sich ihnen wieder zuwenden ließ. Er fühlte etwas, das er schon ganz verschüttet geglaubt hatte, etwas, das über das Mitleid mit den Schwachen und über den Zorn über die Ungerechtigkeit hinausging: Verantwortung.
*
Ruhe schien über der Nebelburg zu liegen, aber möglicherweise war sie nur die Ruhe vor den kommenden Stürmen.
Es war Nacht, das Mondlicht drang fahl durch die Nebel, als sie an den Zinnen der Nebelburg standen und hinaus in die Finsternis blickten.
„Sie sind wahnsinnig!“, seufzte Mergun.
„Wer ist wahnsinnig?“, fragte Lari.
„Die Götter.“
„Die Götter? Ihr seid einer von ihnen, Mergun!“
„Ja, das ist richtig. Und ich denke, es wird nicht mehr all zu lange dauern, bis auch ich dem Wahnsinn verfallen werde. Ich spüre, dass die Grenze zum Irrsinn bereits in Reichweite liegt.“
„Mergun! Was redet Ihr da?“ Ihre Hände berührten sich. „Was geht in Eurem Kopf vor, welche Ideen spuken da herum und verfolgen Euch? Macht Euch frei von diesen Dämonen und genießt das Leben in der Erhabenheit des Uytrirran.“
„Wenn man den Andeutungen des weisen Xilef folgt, dann steht unser Untergang bevor.“
„Ein Grund mehr, jeden Tag zu leben, als ob er der letzte wäre!“ Mergun schwieg eine Weile und blickte in die Ferne. Dann sagte er schließlich: „Ich muss für eine Weile zurück in die Niederungen der Sterblichen, Lari. Ich muss nach ihnen sehen. Vielleicht kann ich Abhilfe für ihr Leiden schaffen.“
„Was kümmern Euch die Sterblichen?“
„Ich war einer der ihren - Ihr nicht auch, Lari?“
„Könnt Ihr das nicht vergessen?“
„Nein.“
Sie schien traurig. „Werdet Ihr lange fortbleiben?“
„Ich weiß es nicht...“
„Ich werde auf Euch warten.“
„Ich werde Euch vermissen, Lari. Aber ich kann nicht anders. Es lässt mir keine Ruhe.“
„Manchmal denke ich, dass das Unheil, von dem Xilef unkte, vielleicht von Euch ausgehen könnte, Mergun!“
*
Mergun, der Gott, war vom Uytrirran herabgestiegen und wandelte nun über die Niederungen der Sterblichen.
Er hatte sich das Haar lang wachsen lassen und einen Bart zugelegt. Er trug die Kleider eines irrenden Glücksritters. Niemand würde ihn so als das erkennen, was er wirklich war.
Das einzige, was ihn unter Umständen verraten konnte, war sein im magischen Feuer von Grijang gehärtete Schwert.
Aber Mergun hatte es nicht zurücklassen wollen.
In irgendeinem kleinen Dorf kaufte er sich dann ein Pferd. Ein normales Pferd, wie es auch die Sterblichen ritten. So ausgerüstet wandte er sich in Richtung Süden. Sein Ziel war Balan, die Stadt in der er einst geherrscht hatte und deren Bürger daran Schuld waren, dass er ein Gott war. Er wollte nach ihnen sehen, denn irgendwie fühlte er sich für sie verantwortlich. Schließlich hatte er das Leben der Balanier maßgeblich verändert. Er hatte Ahyr, den alten Gott, vertrieben und sich selbst an dessen Stelle gesetzt.
Eines Abends hielt er in Nunheim, einem größeren Dorf, um hier zu übernachten. Er suchte die einzige Taverne des Ortes auf. Draußen band er sein Pferd an einen Pflock. Seltsame Musik drang aus der Taverne. Ein Sänger mit tiefer Stimme, begleitet von einer Laute mit vollem, runden Klang.
Mergun konnte auch den Text verstehen, den der Sänger sang.
Nein, es war kein poetisches Lied, wie es die Götter liebten. Sein Text war hart und einfach - und vielleicht gerade deshalb von ungeahnter Tiefe. Mergun trat ans Fenster, um besser zuhören zu können:
„Òh, Ihr
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