Elfen und Goetter (Die Saga von Edro und Mergun - Komplettausgabe)
Belohnung.
"Gebt mir jetzt, was Ihr mir versprochen habt!", sagte sie und in ihrer Stimme schwang eine unmenschliche Gier mit. Edro wechselte einen Blick mit Enadir. Dann griff er zögernd zu dem Messer an seiner Seite. Es war ein scharfes, langes Messer.
Mit einem Ruck schnitt er sich eine Locke aus dem Haar und reichte sie Shirbeth.
Hastig nahm diese die Locke und steckte sie weg. Edro hatte sie eigentlich noch danach fragen wollen, was sie nun mit seinem Haar zu tun beabsichtigte, aber sie war schon fort. Der Dakorier eilte ihr zunächst nach, aber als er das Tor von Elfgart erreichte, sah er nur noch, wie die seltsame Hexe im Wald verschwand. Er gab die Verfolgung auf. Er wusste ja, wo ihr Haus stand und sollte sich später ein Betrug herausstellen, so konnte er immer noch dorthin gehen und Shirbeth zur Rechenschaft ziehen.
"Diese Locke muss ihr viel wert sein, Edro. Sehr viel sogar, denn sie hat sie statt des Elfengoldes genommen, das Ihr ihr angeboten habt", sprach Enadir, der Edro bis zum Tor gefolgt war.
"Ja, Ihr habt zweifellos recht. Aber was, zum Teufel, kann sie mit einer Locke meines Haares schon anfangen? Ist sie für einen Zauber von Nöten? Was meint Ihr, Enadir?" Aber der Elf zuckte nur mit den Schultern.
"Ich kann nichts weiter dazu sagen. Wir Elfen beschäftigen uns meistens nur mit uns selbst. Wir pflegen kaum Kontakt zu anderen Wesen und schon gar nicht zu Hexen und Magiern. Aber Eure Vermutung könnte stimmen. Shirbeth könnte Euer Haar für irgendeine Zauberei verwenden. Nicht einmal die Götter mögen wissen, was in dem Kopf dieser Alten vor sich gegangen ist."
*
Kirias Schlaf war tatsächlich so tief, wie Shirbeth es vorausgesagt hatte. Edro blieb an ihrem Bett und wartete auf ihr Erwachen.
Zeitweise hörte sie gänzlich auf zu atmen und auch ihr Herz stand einige Zeit lang still. Zunächst erschreckte dies den Dakorier sehr, aber dann erinnerte er sich daran, dass die Hexe dies vorausgesagt hatte.
Die Stunden vergingen und noch immer waren Kirias Augen geschlossen. Würde sie ihre Augen je wieder öffnen können? Shirbeth hatte von einem Schlaf gesprochen, der tiefer als selbst der Tod sein sollte...
Ein Schauder erfasste Edro bei dem Gedanken an die Alte. Gut, dass sie nun weg ist, dachte er bei sich. Und immer wieder kehrten seine Gedanken zu der Haarlocke zurück.
"Hexen haben oft seltsame Wünsche, mein Freund", hatte Randir zu ihm gesagt, aber die Worte des Elfen vermochten den Dakorier nicht so recht zu beruhigen.
Und schließlich öffnete Mergun die Augen. Er fühlte sich wohl.
Er spürte keine Schmerzen mehr und konnte sofort aufstehen. Als er jedoch von dem Preis hörte, für den Edro die Gesundheit des Nordländers erkauft hatte, fing er herzhaft an zu lachen.
"Nein, diese Hexe muss ein seltsames Wesen gewesen sein", meinte er und grinste. "Wie kann jemand Elfengold ablehnen und dafür lediglich eine Haarlocke verlangen?" Er schüttelte den Kopf.
"Kein normaler Mensch würde dies tun. Nicht einmal ich und mir sind Dinge wie Geld und Gut nun wirklich nicht am Wichtigsten!"
Kirias Augen aber blieben weiter geschlossen. Immer wieder hörte ihr Herz für kurze Zeit auf zu schlagen und jedesmal bangte Edro denn um ihr Leben.
Aber der Herzschlag kehrte immer schon nach wenigen Momenten wieder zurück.
Edro mochte nicht daran denken, was er mit der Hexe tun würde, sollte sich herausstellen, dass sie ihn betrogen hatte.
In Gedanken sah er sich schon, blind vor Wut und Hass und Enttäuschung, auf die kleine Hütte der Hexe zurennen.
Erst, als sie bereits zwei Tage in ihrem Todesschlaf gelegen hatte, erwachte sie. Sie schlug ihre blauen Augen auf, wie sie es jeden Morgen tat, wenn sie erwachte. Langsam setzte sie sich auf und fasste Edros Hand. Ein seltsamer Glanz lag auf ihren Augen. Sie schien etwas entrückt zu sein.
"Ich habe geschlafen", stellte sie fest. Edro nickte.
"Ja, Ihr habt geschlafen. Sehr tief sogar." Und dann erzählte ihr Edro die Geschichte mit der Hexe und für welchen Preis er ihre Gesundheit erkauft hatte. Es schien so, als würde Kiria erst jetzt bemerken, dass ihre Wunde am Kopf nicht mehr da war. Sie war weg -
in Luft aufgelöst.
"Ich habe jetzt keine Schmerzen mehr, Edro!"
"Ja, Ihr seid jetzt wieder völlig gesund. Es scheint so, als hätte mich diese Hexe nicht betrogen!" Und dann umarmten sie sich.
*
Bereits am folgenden Tag verließen sie Elfgart. Ihr Weg führte sie nach Osten und in einer, vielleicht auch erst in zwei Tagesreisen
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