Elfen und Goetter (Die Saga von Edro und Mergun - Komplettausgabe)
Erscheinung der Frau wurde durchscheinend und verschwand plötzlich.
"Was tun wir jetzt?", fragte Mergun.
"Haben wir denn eine Wahl?" Edro schüttelte den Kopf. "Es gibt keinen anderen Weg für uns, so glaube ich", stellte er fest und ging weiter. Die anderen folgten ihm schweigend.
*
Edro erschien es so, als sei der Wald vollkommen ausgestorben.
Kein Vogel sang, kein Tier schrie. Nirgends verdüsterte ein schwarzer Daranar den Himmel, nirgends saß eine Dryade auf ihrem Baum, nirgends beobachteten sie die scharfen Augen von Elfen. Kein Tier bewegte sich zwischen den alten, abgestorbenen Bäumen. In vielen dieser Bäume hatten früher vermutlich Dryaden gelebt. Auf ihren Zweigen mussten sich vor langer Zeit einmal die Nester von Vögeln befunden haben. Jetzt war nichts mehr da. Dieser Zustand änderte sich auch nicht, je weiter sie in diesen uralten, verwunschenen Teil des Zauberwaldes eindrangen. Manchmal meinten sie, ein Stöhnen oder etwas ähnliches zu hören. Aber nie waren sie sich vollkommen sicher.
Gegen Abend wollten sie ein Feuer anzünden, aber das seltsame Holz dieses Waldes brannte nicht.
"Es geht nicht!", zischte Mergun wütend und warf die Holzscheite durcheinander.
"Ein Fluch liegt über diesem Holz", brummte er dann. Edro zuckte nur mit den Schultern. Er befühlte das Holz. Nein, es war nicht nass.
Warum brannte es nicht? Eigentlich hätte es so gut wie kein anderes Holz brennen müssen, denn schließlich war es schier pulvertrocken.
"Dann werden wir heute Nacht auf ein Feuer verzichten müssen", meinte der Dakorier düster.
"Ist das nicht gefährlich?", fragte Randir.
Lakyr nickte. "Sicherlich. Aber hier leben, soweit ich sehen konnte, keine Tiere, die uns gefährlich werden könnten. Und was uns in dieser Gegend sonst noch bedrohen kann, das läßt sich sicher nicht durch ein lächerliches Feuer abwehren und verscheuchen!"
Ihr mitgebrachtes Fleisch verzehrten sie an diesem Abend roh. Es war völlig windstill. Nicht ein Hauch bewegte die Zweige der uralten Baumriesen.
Des Nachts wachte Edro mehrmals auf, denn ihm war so, als würde er seltsame, ferne Stimmen hören.
Am nächsten Morgen zogen graue Wolken am Himmel auf und ein heftiger Wind setzte ein.
"Diese grauen Wolken bedeuten nichts Gutes", prophezeite Randir und Mergun nickte.
"Es wird Sturm geben!" Als sie dann ihre Wanderschaft fortsetzten, gingen sie durch einen Wald ohne Blätter. Nirgends war grün an den Bäumen. Es war ein toter Wald. Der Wind wurde immer heftiger und schließlich setzte auch noch Regen ein. Nicht selten knackten Zweige, die der Gewalt des Sturmes nicht standzuhalten wussten.
*
Da sahen sie plötzlich eine seltsame, vieräugige Gestalt auf sie zugehen. Drei Arme besaß diese Gestalt und sie war größer als ein gewöhnlicher Mann. In einer der Hände befand sich eine Kette! Die Gruppe blieb wie gebannt stehen.
"Was mag das für ein Wesen sein?", fragte Kiria angstvoll.
"Vielleicht einer der älteren Götter", knurrte Randir und zog sein Schwert.
"Du willst mit dem Schwert gegen einen Gott kämpfen?", fragte Mergun spöttisch.
Die fremde Gestalt baute sich vor ihnen auf und wedelte mit ihrer Kette. Ihr Körper war von einem undurchdringbar scheinenden Schuppenpanzer bedeckt. Ein höhnisches Grinsen war auf dem Mund des Seltsamen zu sehen.
Und die Augen! Edro vermied es in sie hineinzublicken. Ein wahnsinniger Glanz lag auf ihnen, ein gieriger Glanz.
"Ich bin Ychkr!", verkündete die Gestalt. Ychkr besaß eine tiefe, dunkel klingende Stimme.
"Ihr seid einer der älteren Götter?", fragte Edro.
"Ja, das bin ich!" Ychkr lachte schallend und schwang seine Kette drohend über dem Kopf. Was hat diese Kette bloß zu bedeuten? fragte sich der Dakorier.
"Ich hatte beschlossen zu sterben, denn es gab keine Sterblichen mehr, die zu mir beteten. Wenn ein Gott nicht mehr angebetet wird, dann ist das für ihn der Tod. Ich stieg also vom Berg der Götter herunter und wanderte hier her, um Ruhe und Frieden zu finden und um zu sterben. Das alles ist schon lange her. Ja, der Tod von Göttern ist langsam und schwierig. Aber nun seid Ihr hier, Fremdlinge! Ihr habt ein Feuer in mir wieder entfacht, von dem ich lange Zeit glaubte, es sei bereits für immer verloschen. Aber nun..." Ychkr lachte sein wahnsinniges Lachen und ein gieriges Feuer brannte in seinen Augen.
"Folgt mir, Freunde! Betet mich an und ich werde Euch alles geben was Ihr begehrt, ich werde Euch an jeden Ort der Welt führen, wenn Ihr wollt!
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