Elfen und Goetter (Die Saga von Edro und Mergun - Komplettausgabe)
als es ohnehin schon war. Wieder erschien vor seinem geistigen Auge Kirias totes Gesicht.
Nie wieder würden sich ihre toten Augen öffnen und ihn anschauen, nie wieder würde er ihr Lachen hören können.
Erst jetzt wurde ihm richtig bewusst, wie sehr er sie geliebt hatte.
Er hatte sich an Ychkr gerächt, ja, aber was hatte diese Rache gebracht, außer neuem Leid, neuem Tod und neuer Verwüstung? Nicht einmal seine Wut und sein Hass waren gedämpft worden. Nur ein kleiner Unterschied war aufgetreten: Wie er vorher Ychkr gehasst hatte, so kam es nun manchmal vor, dass er nun sich selbst hasste.
Am anderen Tag setzten sie ihren Weg fort. Schon nach wenigen Stunden erreichten sie die Mündung des San. Der Wind hatte etwas gedreht und so kam es jetzt mitunter vor, dass gerudert werden musste.
Auch Edro beteiligte sich daran. Es war anstrengend und zermürbend gegen Strömung und Wind zu rudern.
Seltsame Geräusche drangen aus dem Wald an den Ufern des San an die Ohren der Besatzung.
Es war ein überaus düsterer Wald. Und unheimlich. In gewisser Weise ähnelte er dem Zauberwald und dem Wald der sterbenden Götter.
Edro fiel auf, dass immer zwei oder drei bewaffnete Posten auf dem Schiff herumpatrouillierten, seit sie die bewaldeten Gebiete Nirlands erreicht hatten. Große, furchteinflößende Bögen ruhten in den Händen der Bewaffneten.
Edro fragte Naviel nach dem Grund für diese Maßnahme.
"Es gibt viele seltsame und böse Wesen in jenen Wäldern. Man muss auf der Hut vor ihnen sein, sonst töten sie einen tückisch und hinterhältig", erklärte der Schiffsbesitzer ihm lächelnd.
Er zeigte Edro eine Narbe am Arm.
"Seht Ihr? Diese Wunde stammt von den messerscharfen Klauen eines dieser Wesen!"
"Wie sehen sie aus, Naviel?"
"Unterschiedlich. Die verschiedensten Wesen hausen hier. Es gibt Flugechsen hier und geflügelte Affen, aber auch Riesenfledermäuse und Insekten, die größer sind, als dieses Schiff!"
*
Aber auch an diesem Tag passierte nichts besonderes. Der Wind ließ immer mehr nach und hörte schließlich ganz auf.
Und dennoch kamen sie relativ schnell voran. Zwei Tage später hatten sie bereits die große Schleife des San erreicht. Nun nahm der Wind wieder zu und er kam auch aus der richtigen Richtung! Das Rudern konnten sie nun weitgehend einstellen.
Misstrauisch wandte Edro den Blick zum Ufer hin. Aber nichts war dort zu sehen, was ihm Anlass zur Besorgnis hätte geben können.
Die mit den schweren Bögen bewaffneten Posten gingen hin und her und beobachteten ebenfalls die Ufer.
"Ich habe über das nachgedacht, was Ihr mir zu Anfang dieser Reise sagtet, Herr Edro. Über Euer Vorhaben, den Berg der Götter zu besteigen", sagte Naviel, als er neben dem Dakorier an der Reling stand und zum Ufer blickte.
"Und? Was war des Ergebnis Eures Nachdenkens?", erkundigte sich der Dakorier.
"Was Ihr vorhabt ist Wahnsinn!"
"Vielleicht."
"Es ist unmöglich, diesen Berg zu besteigen!"
"Hat es je jemand versucht?"
"Die Götter würden niemanden dort hin lassen?"
"Vielleicht. Aber ich muss es versuchen." Da ertönte plötzlich ein Warnruf von einem der Posten. Ein Pfeil sirrte durch die Luft, doch verfehlte er sein Ziel.
Einige Dutzend geflügelte, übermannsgroße und mit Holzkeulen bewaffnete Affen schossen aus dem Gebüsch und flogen auf die IRANEWING zu. Sofort griff alles zu den Waffen und für wenige Momente herrschte auf dem Flussschiff absolutes Chaos.
"Das sind einige der Bestien, die hier ihr Unwesen treiben, mein lieber Herr Edro. Aber dies sind noch lange nicht die schlimmesten dieser Monstren!", zischte Naviel, wobei er ruckartig sein Schwert zog. Edro folgte seinem Beispiel.
Und da war auch schon der erste Gegner heran. Er überragte Edro mindestens um zwei Köpfe und seine Keule schlug er mit solcher Gewalt, dass Edro eigentlich nichts anderes übrig blieb, als auszuweichen. Die Schiffsplanken ächzten unter den polternden Schritten des Monstrums.
Aber der Affe war nicht nur äußerst stark, sondern auch noch flink und behände. Blitzschnell konnte seine tödliche Keule zuschlagen.
Aber mit ein paar rasch aufeinander folgenden Schwertstichen brachte ihn der Dakorier dann doch zu Fall.
Überall riefen Stimmen durcheinander, überall war Chaos. Die Segel flatterten nutzlos von den Masten und einige Kisten schwammen bereits im rasch fließenden Wasser des San.
Die Strömung trieb die IRANEWING nahe ans Ufer heran. Nicht selten wurde sie von überhängenden Ästen gestreift.
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