Elfen und Goetter (Die Saga von Edro und Mergun - Komplettausgabe)
die Wesen dieser Traumwelt gemordet? Als er so viel Tod und Grauen sah, rannen ihm Tränen herunter.
"Wo liegt in all diesem Geschehen noch ein Sinn? Wo ein Ziel?", rief er traurig und wütend aus. Dann wanderte er weiter zum Tor, welches diese Welt mit der der Menschen verband. Es leuchtete wieder stark. Ja, es schien so, als hätte es sich wieder geöffnet. Bevor der Dakorier durch das leuchtende Tor trat, sah er noch einmal über das weite Land, von dem Ychkr gesagt hatte, es sei Elfénia. Vielleicht war es tatsächlich Elfénia. Aber ein anderes Elfénia; nicht das, wonach Edro suchte.
Wie viel Pein und wie viel Schrecken hatte ihm dieses Land gebracht...
Und den anderen hatte es den Tod geschickt. Nun war Edro der einzige Lebende, in diesem Totenreich. Er trat durch das Tor und schon im nächsten Moment umgab ihn wieder diese unbeschreibliche Kälte, wie sie zwischen den Dimensionen herrschte.
*
"Wohin fährt dieses Schiff?", fragte der Mann, der so plötzlich am Kai des Flusshafens von Nirot aufgetaucht war. Der Bootsmann blickte misstrauisch zu ihm auf und zog die Stirn in Falten.
"Dieses Schiff fährt den Nir Flussaufwärts, bis zu der Stelle, wo der San in ihn mündet. Den San segeln wir dann bis Darakyse hinauf."
"Hier", sagte der Fremde und reichte dem Bootsmann einige Goldstücke. "Nehmt Ihr mich dafür bis nach Darakyse mit?"
"Gut, Fremdling. Wir segeln noch heute Abend los. Wie ist Euer Name?"
"Ich bin Edro aus Dakor!"
"Ich bin Naviel und mir gehört die IRANEWING! Kommt an Bord, Herr Edro!"
Der Dakorier folgte der Aufforderung gern. Die IRANEWING
war eine der vielen Flussdschunken, die den Nir hinauf und hinunter fuhren.
Edro musste nach Norden, denn sein Ziel war der Berg der Götter.
"Was transportiert Ihr nach Darakyse?", fragte er Naviel.
"Vor allem Felle und andere Gebrauchsgegenstände!" Er klopfte Edro auf die Schulter.
"Wir können Euch keinen großen Luxus bieten, Herr Edro, aber ich hoffe dennoch, dass es für Euch eine schöne Reise wird." Am späten Nachmittag legte die IRANEWING ab und segelte Flussaufwärts. Vielleicht war der Nir der breiteste Fluss, den Edro bis jetzt auf seiner langen Reise zu Gesicht bekommen hatte.
Er wirkte schon fast wie ein See und nicht wie ein Fluss, obwohl doch seine Mündung weit im Süden lag. Der Wind kam recht günstig, so dass die Besatzung wenig zu tun hatte. Oft standen die Männer einfach nur herum. Es schien nicht das erstemal zu sein, dass sie den Nir hinaufsegelten. Jeder ihrer Handgriffe zeugte von Erfahrung und Routine.
Edro stand meistens am Bug und starrte in die Gegend. Sinnend betrachtete er die kleinen Wellen, die das Flussschiff verursachte.
"Sagt mir, Herr Edro, was wollt Ihr eigentlich dort oben im Norden?", fragte Naviel, nachdem sie schon einige Stunden gesegelt waren und die Nacht hereinbrach.
"Mein Ziel ist der Uytrirran, der Berg der Götter", erklärte der Dakorier mit der ihm eigenen Düsternis. Naviel lächelte.
"Ja, es sind jedes Jahr tausende von Pilgern zu diesem Berg unterwegs, um an seinem Fuße zu den Göttern zu beten. Aber die meisten gehen zu Fuß, weil es das Ritual so verlangt. Warum haltet Ihr Euch nicht daran?"
"Ich kenne dieses Ritual nicht. Außerdem habe ich die weite Reise von Dakor bis hier her nicht unternommen, um zu den Göttern zu beten!"
"Ihr wollt nicht zu ihnen beten?", fragte Naviel erstaunt.
"Nein." Der Bootsbesitzer runzelte die Stirn und rieb sich seinen Bart.
"Aber warum reist Ihr dann zu diesem Berg, auf dem angeblich die Götter wohnen?"
"Ich will ihn besteigen. Ich will ihn besteigen und die Götter darum bitten, mir ihr Buch zu zeigen, in dem sie beschrieben haben, wie man Elfénia erreicht."
"Elfénia?"
"Elfénia ist ein Land, in dem Träume in Erfüllung gehen. Ich suche es."
Naviel lächelte.
"Ich muss sagen, Ihr seid ein äußerst merkwürdiger Mann. Etwas Tragisches haftet Euch an und etwas, was ich noch nicht zu deuten vermag. Aber ich will nicht in Euren Angelegenheiten rühren."
*
Die Nacht war nun zu Gänze über das Land gefallen und hatte es mit seinem düsteren Schleier bedeckt.
Aber der Mond strahlte so hell, dass man noch recht gut sehen konnte. Dennoch gab Naviel den Befehl, zu ankern. Das Risiko einer Weiterfahrt wäre einfach zu groß gewesen.
In der Nacht schlief Edro nicht.
Er saß da und starrte in die gähnende Finsternis vor ihm. Immer wieder kehrten seine Gedanken zu Kiria zurück. Und sein Gemüt wurde noch schwerer und düsterer,
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