Elfen wie Diamant
Strafe für ihre Verbrechen lautet? Er selbst müsste ihre Todesurteile unterzeichnen.«
Visyna wusste, dass das stimmte. »Können wir denn nichts tun?«
»Wir können uns selbst retten, mein Kind«, antwortete Chayii. »Und das wird schon schwierig genug.«
In Chayiis Worten lag eine kalte Logik, gegen die Visyna nichts einwenden konnte. Hrem kam auf sie zu, gefolgt von den drei anderen Soldaten. Das Musketenfeuer nahm an Intensität
zu, und diesmal lieà es nicht nach. Rakkes brüllten überall um sie herum.
»Wir müssen wirklich von hier verschwinden«, erklärte der hünenhafte Soldat.
Visyna sah ein letztes Mal zu Chayii hinüber, die sich umdrehte und zu dem Fort hinübersah. Es erhob sich vor ihnen wie ein dunkler Quader. Gleichzeitig schien es unendlich weit entfernt zu sein. Visyna fror, sie war müde, hungrig, hatte Angst und tat ihr Bestes, all das zu ignorieren. Der Schnee wirbelte in dicken Vorhängen um sie herum und gab nur gelegentlich einen Blick auf die Wüste frei. Sie sah Rotten von Rakkes und Leichen überall im Schnee.
»Bleibt dicht bei mir.« Sie begann ein Muster in der Luft zu weben, zog an den Fäden um sie herum. Das Musketenfeuer knallte ringsum und erschwerte es ihr, sich zu konzentrieren. Die Schreie und das Gebrüll der Rakkes machten es noch schlimmer. Sie schüttelte die Finger aus und lieà den Kopf kreisen. Abgesehen davon, dass sie müde hungrig und verängstigt war, gab es noch tausend andere Dinge, die zu verstehen ihr die Zeit fehlte. Sie vertiefte sich weiter in sich selbst, ignorierte das Chaos und suchte nach etwas Solidem, an das sie sich halten konnte.
Konowa. Sie lächelte und knurrte gleichzeitig. Er war weniger niederträchtig und eher ein mächtiges Element in dem Kessel eines Alchimisten, aber er war Energie und Leben. Sie machte sich keinerlei Illusionen, dass sie ihn jemals verändern konnte ⦠jedenfalls nicht vollständig, aber wie weit er sich auch von seinen Ursprüngen entfernt hatte, er blieb doch eine Kreatur der Natürlichen Ordnung. Und das genügte.
Visyna stellte ihn sich vor, sah den Elf, der er war. Sie akzeptierte die Dunkelheit und die Gewalt, die in ihm steckten; sie wusste ja, dass die Entscheidungen, die er getroffen
hatte, ebenso schwierig wie notwendig gewesen waren. Das bedeutete nicht, dass sie mit ihnen einverstanden war, und ganz gewiss nicht, dass sie ihm nicht helfen wollte, ein besserer Elf zu werden, aber einstweilen fand sie in sich die Bereitschaft, ihn so zu akzeptieren, wie er war. Sie hatte heute Nacht einen Elf getötet, weil der sich nicht verändern konnte. Das Bedauern über diese Tat bedrückte sie sehr. Sie würde Himmel und Erde in Bewegung setzen, um dem Elf zu helfen, den sie liebte, dass er die Kraft fand, die Kritton nicht gefunden hatte.
Der Boden um sie herum explodierte in einem Geysir aus Schnee und Sand. Eine einzelne Schneesäule, die jetzt nur etwa dreiÃig Zentimeter dick war, stieg gut sieben Meter hoch in den Himmel empor. Sie keuchte und bremste ihre Magie ein wenig, erlaubte es der Säule, sich auf einer Höhe von etwas mehr als zwei Metern einzupendeln.
»Der Schöpfer sei gepriesen«, stieà Inkermon hervor. Staunen und Furcht vermischten sich unüberhörbar in seiner Stimme.
Visyna hätte ihm gerne gesagt, dass sein sogenannter Schöpfer nichts damit zu tun hatte, aber das wäre nicht sonderlich hilfreich gewesen.
»Könnten Sie ihn um ein bisschen Hilfe bitten?«, fragte sie stattdessen und konzentrierte sich wieder auf die Säule aus Sand und Schnee.
»Was denn, ich soll zu ihm beten? Jetzt?«, erkundigte sich Inkermon.
»Ich könnte es gebrauchen. Wir alle könnten das gebrauchen.« Sie warf einen kurzen Blick über die Schulter. Der Soldat war vollkommen verblüfft.
»Darum hat mich noch niemand gebeten«, antwortete Inkermon und stand auf. Seine Knie waren zwar weich, aber er blieb stehen. »Man hat mich immer nur belächelt. Ich dagegen
habe nur versucht, das Wort des Schöpfers zu verbreiten und den Menschen den Pfad der Erlösung zu weisen.«
»Gnade, Inkermon, fang jetzt nicht an zu flennen«, sagte Hrem. »Ich kann zwar nicht für die anderen sprechen, aber ich bewundere einen Mann mit festen Ãberzeugungen. Hauptsache, er vergisst nicht, dass andere Männer möglicherweise andere ebenso feste
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