Elfen wie Stahl
Geräusche machten.
Konowa drehte sich zu Jir herum, um ihn anzutreiben. Doch der Bengar war verschwunden.
»Jir«, rief er leise. Der Bengar hatte ein exzellentes Gehör, was aber nicht der Grund war, warum Konowa so leise rief. Der Wald war verstummt. Das unablässige Summen des Lebens, das zwischen den Bäumen pulsierte, war fort. Der Wald verhielt sich unnatürlich ruhig, als hätte die Zeit aufgehört zu existieren.
»Das ist nicht gut«, flüsterte Konowa vor sich hin, während er seine Kleidung von der Muskete rutschen lieà und die Waffe lud, für alle Fälle.
Konowa hielt die Muskete vor seinen Körper, überzeugte sich, dass der Feuerstein gesichert war, und spannte den Hammer ein Stück, während das Gebet seines alten Regiments in seinen Ohren klang.
Himmlische Geister, die ihr über uns wachet â¦
Er holte mit der rechten Hand eine Kartusche aus dem Beutel, hob mit einer geübten Bewegung die gewachste Papierröhre an den Mund und biss das Ende ab.
⦠führt uns im Kampf und stützt unsere Hand â¦
Das SchieÃpulver mischte sich mit seinem Speichel, und er verzog bei dem vertrauten bittersalzigen Geschmack das Gesicht.
⦠auf dass wir unseren Feind besiegen â¦
Das Gewicht der kleinen Bleikugel lag auf seiner Zunge,
und er hörte das Knattern der Regimentswimpel, die in einer Windbö flatterten, hörte das Knarren von Kanonenlafetten, das Wiehern von Pferden, das Stampfen ihrer Hufe und das heisere Brüllen von Sergeanten, die die Befehle ihrer Offiziere weitergaben.
⦠zerstört sie, wie jene, die vor uns gingen â¦
Ein erwartungsvoller Schauer überlief Konowa.
⦠und haltet unseren ehrenvollen Platz als eure treuen Diener, eure Todesboten. Wir sind die Krieger von Hynta. Wir fürchten nichts, denn wir sind die Elfen aus Stahl!
»Amen«, sagte Konowa laut. Er war nicht länger allein.
Er machte die Muskete feuerbereit. Etwas Kaltes, Schwarzes berührte Konowa, und er spürte die Präsenz der verlorenen Seelen seines alten Regiments. Er lieà etwas SchieÃpulver auf die Pfanne der Muskete rieseln, bevor er den Hammer schloss. Im Rhythmus der Vergangenheit setzte er den Schaft der Muskete vor sich auf den Boden, schüttete den Rest des SchieÃpulvers in den Lauf, bevor er die Bleikugel und dann die Papierkartusche hineinstopfte. Ohne innezuhalten, zog er den Ladestock unter dem Lauf heraus, wo er in den vier Messingröhren hing, und stopfte damit das Papier und die Kugel fest, während er unablässig den Wald absuchte. Er schob den Ladestock wieder unter die Muskete, setzte sie auf seine Hüfte und stellte sich die waffenstarrende Schlachtreihe von Soldaten rechts und links neben sich vor, zog Trost aus ihrem stoischen Schweigen.
Dann zog er den Hahn zurück; der Feuerstein in seinen stählernen Krallen schimmerte entschlossen. Einige Sekunden lang stand er einfach da, während seine Hände auf dem Holz der Waffe feucht wurden. Nur zu bald war die Nostalgie wie weggeblasen, und er stand wieder allein in diesem fremden Land, sehr weit weg von zu Hause.
Ein Geräusch ertönte links von ihm. Konowa bewegte sich darauf zu und erlaubte seinen Sinnen, seine Schritte zu lenken, während er mit dem Blick die Schatten vor sich absuchte. Die Stille des Waldes hing wie ein Schleier über den Zweigen, und mit jedem Schritt kam es ihm schwerer vor, diesen Schleier zu durchdringen. Er hatte gerade beschlossen, dass er nur noch fünfzig Schritte weitergehen würde, als er eine Lichtung erreichte. Was bis jetzt nur ein auÃerordentlich mieser Tag gewesen war, verwandelte sich im selben Moment zu einem Albtraum.
4
KAUM DREISSIG METER entfernt auf der Lichtung kauerten vier Rakkes über einem gefällten Baum.
Vier fast drei Meter groÃe schwarze, spärlich behaarte Rakkes mit ihren fleischigen gewaltigen Schultern starrten Konowa mit ihren milchigen Augen an, die tief in ihren vernarbten, ledrigen Gesichtern lagen.
Doch eigentlich waren Rakkes ausgestorben.
Was Konowa da sah, war unmöglich, und dennoch wusste er, dass es sich um Rakkes handelte. Er hatte Zeichnungen von ihnen auf getrockneten gespannten Häuten gesehen, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden, hatte die uralten Geschichten gehört und einmal sogar den Schädel einer solchen Kreatur in der Hand gehalten. Sie hatten hoch oben in den Bergen gelebt und
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