Elfen wie Stahl
Es waren fast genauso viele Geschichten über Rallie in Umlauf, wie sie selbst geschrieben hatte, und die meisten waren so ausgefallen, beschrieben derartig merkwürdige Erscheinungen und bizarre Ereignisse, dass niemand, am wenigsten Konowa, wusste, was er glauben sollte.
»Ebendieselbe«, erwiderte sie. »Gewiss, eigentlich hieà ich Rallina, aber niemand will über Schlachten und Abenteuer aus der Feder einer Person lesen, die einen so mädchenhaften Namen hat. Und Sie wissen ja, es dreht sich alles darum, Geld zu verdienen. Glücklicherweise versteht die Kaiserin das besser als die meisten anderen Leute, und auÃerdem«, sie zwinkerte ihm zu, »erkennt das alte Mädchen eine spitze Feder, wenn es eine sieht.«
Konowa kam zu dem Schluss, dass er Rallie Synjyn mochte.
»Was führt Sie hierher?«, fragte er. Er hielt es für besser, nichts zu verraten, was er nicht eine Woche später aus der Kehle eines Nachrichtenschreiers hören wollte.
Rallie lachte und schlug sich mit der Hand aufs Knie. Eine Staubwolke stieg auf, die sich mit dem Zigarrenrauch vermischte und sie einhüllte. Es dauerte einen Moment, bis sie daraus wieder auftauchte. »Ganz sicher will ich nicht die Irrwege von Prinz Pingelig dokumentieren. Die Neuformierung der Stählernen Elfen ist ein Knüller, Major, ein dicker Knüller. Es war eine Schande, was Ihnen und Ihren Jungs zugestoÃen ist, eine echte Schande. Diesen Mistkerl an die Wand zu nageln war ein Dienst an der ganzen Welt. Er führte nichts Gutes im Schilde. Ich bin froh, Sie wieder im Sattel zu sehen, obwohl ich mir nur sehr schwer vorstellen kann, wie es sich anfühlen muss, Ihre Elfen nicht bei sich zu haben.«
Konowa hatte plötzlich Probleme, etwas zu erkennen. Rallie war so freundlich, hinter ihrer Sitzbank herumzufummeln, und gab ihm damit ein wenig Zeit, sich wieder zu fassen.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Imperiale Armee besonders erfreut über Ihr Auftauchen sein wird«, erwiderte er schlieÃlich, »was immer die Kaiserin auch denken mag.«
Als Rallie sich wieder zu ihm herumdrehte, bebten ihre Schultern vor Lachen. »Der Generalstab hält mich für eine gröÃere Bedrohung als eine Herde Drachen, aber der Kaiserin gefällt die Vorstellung, ihre Generäle zur Ehrlichkeit zu zwingen, indem sie wenigstens einen Molch in der Suppe lässt.« Sie zog an ihrer Zigarre, atmete langsam den Rauch aus und betrachtete Konowa von Kopf bis FuÃ. »Das heiÃt ⦠zwei Molche.«
Konowa versuchte, unschuldig auszusehen. »Ich? Ich bin ein Muster an Tugend. Ich befolge nur Befehle.«
Rallie lachte so sehr, dass winzige Rauchringe aus ihrer Nase
drangen. Nachdem sie sich wieder gefasst hatte, schüttelte sie den Kopf und sah ihn scharf an. »Aber nicht zu verbissen, hoffe ich. Ich glaube, schon bald kommt die Zeit, in der Sie die Angelegenheiten in Ihre eigenen Hände nehmen müssen.«
Er stellte sich vor, wie er seine Hände um den Hals des Prinzen legte â eine sehr verlockende Vorstellung. »Meine Aufgabe besteht darin, dieses Regiment zurückzubringen, und zwar gesund und munter. Das werde ich tun, komme, was da wolle.«
»Dann sollten Sie dafür sorgen, dass der Prinz glaubt, er hätte etwas damit zu tun.« Sie deutete auf die Spitze der Kolonne, schnalzte mit der Zunge und trieb ihre Pferde in Richtung Schlingpflanzen. »Er glaubt, ich wäre hier, um schillernde Geschichten über ihn für den Hof zu schreiben. Sie wissen schon: Er führt das Regiment in eine entlegene, finstere Ecke des Imperiums, schlachtet ein paar Eingeborene ab, erbeutet ein paar hübsche Klunker und magische Artefakte, verstaucht sich den Zeh, als er von seinem Pferd absteigt, und kehrt als Held nach Hause zurück. Mit dem Verwundetenabzeichen an seinem Ãrmel und genügend Kriegsgeschichten, um die Kurtisanen aus ihren Reifröcken zu quatschen.«
»Aber die Kaiserin wird doch nicht zulassen, dass Sie so etwas schreiben?« Konowa gab seinem Wallach die Sporen, um der Schreiberin zu folgen.
Rallie legte einen Finger an ihre Nase und zwinkerte. Ihre Augen verschwanden in gebräunten ledrigen Hautfalten. »Der Tag, an dem Sie annehmen, dass Sie den Verstand eines Monarchen kennen würden, ganz gleich welches Monarchen, ist der Tag, an dem Sie sehr wahrscheinlich Ihren Verstand verlieren, zusammen mit dem Kopf, der ihn beherbergt.
Weitere Kostenlose Bücher