Elfenblut
riskiere nicht nur meinen Job und mein Ansehen für euch, sondern sogar mein Leben – und zum Dank unterstellst du mir, dass ich dich umbringen will? Das verletzt mich wirklich!«
Pia schwieg. Hernandez würde sie so oder so umbringen, das war ihr klar, aber sie würde ihm nicht die Genugtuung lassen, sie weinen und um ihr Leben betteln zu hören.
Jedenfalls noch nicht.
Hernandez seufzte noch einmal und noch tiefer, machte einen Schritt nach hinten und wedelte gleichzeitig mit der freien Hand, und Pia wagte es zum ersten Mal, hinter sich und zu Jesus hinzusehen. Immerhin war er am Leben, auch wenn sie nicht vorherzusagen wagte, wie lange noch. Sein Anzug war fast ebenso sehr mit Blut besudelt wie ihre Jacke und Hände, und er stand in einer schon fast komisch aussehenden Haltung da – die Hände erhoben und den Kopf so weit in den Nacken gelegt, dass er eigentlich nach hinten hätte umfallen müssen. Richtig komisch wäre sein Anblick allerdings erst ohne den Kerl gewesen, der vor ihm stand und ihm den Doppellauf einer abgesägten Schrotflinte unter das Kinn drückte.
»Keine Sorge«, sagte Hernandez. »Deinem Freund passiert nichts … solange er vernünftig ist und keine Dummheiten versucht.«
»Dummheiten?« Pia wollte nicht mit ihm sprechen. Sie wusste, dass es nicht klug war, auch nur ein einziges Wort zu sagen. Aber wenn sie klug gewesen wäre, dann wäre sie jetzt gar nicht hier. »Wie am Leben zu bleiben, zum Beispiel?«
»Wie oft soll ich dir noch sagen, dass niemand hier vorhat, dir und deinem Freund etwas zu tun?«, seufzte Hernandez. »Ganz im Gegenteil. Ich weiß allmählich selbst nicht mehr, warum ich das eigentlich tue, aber ich will euch immer noch helfen. Auch wenn es ziemlich schwierig wird, nach dem Mist, den ihr zwei gerade gebaut habt.«
Er hob die Waffe, die er ihr abgenommen hatte, und betrachtete sie einen Moment lang scheinbar interessiert. Dann ließ er die Trommel herausspringen, schüttelte sich die Platzpatronen in die offene Linke und steckte sie ein. Aus der anderen Jackentasche zog er eine Handvoll vollkommen gleich aussehender Patronen (mit dem kleinen Unterschied, dachte Pia, dass diese mit Sicherheit scharf waren) und begann die Trommel umständlich damit zu laden. Was hatte er vor? Jesus und sie mit ihrer eigenen Waffe erschießen?
Statt das zu tun, machte Hernandez einen weiteren Schritt zur Seite und wiederholte seine wedelnde Geste. Pia hörte Geräusche und Schritte und erwartete, Jesus neben sich auftauchen zu sehen, doch stattdessen erschien ein weiterer von Hernandez’ Handlangern, der einen halb benommenen Mann in einem schlecht sitzenden schwarzen Anzug vor sich herscheuchte. Sein Gesicht war angeschwollen, wo ihn Jesus’ Faust getroffen hatte, und Pia glaubte nicht, dass er schon wieder so weit bei sich war, um wirklich zu verstehen, wie ihm geschah.
Er sollte es auch nie wieder werden. Hernandez dirigierte ihn mit einer unwilligen Kopfbewegung zum Rand der Baugrube, hob den Revolver und schoss ihm aus kaum zwei Metern Entfernung ins Gesicht.
Ganz wie Pia erwartet hatte, funktionierte der Schalldämpfer der Waffe nicht mehr. Statt das Schussgeräusch zu verschlucken, löste er sich in glühende Stücke und Rauch auf und schien den peitschenden Knall sogar noch zu verstärken. Der Effekt war so spektakulär, dass er sogar das weit entsetzlichere Bild überlagerte, mit dem die Kugel den unglückseligen Mann traf und rücklings in die Baugrube schleuderte. Vielleicht wollte sie es auch nur nicht sehen.
»Warum … warum haben Sie das getan?«, flüsterte sie entsetzt.
»Ich?« Hernandez brachte es fertig, ehrlich verblüfft auszusehen. »Aber wie kommst du denn darauf, Kind?« Noch immer perfekt den Überraschten spielend, trat er an ihr vorbei an den Rand der Baugrube und feuerte rasch hintereinander auch noch die fünf anderen Kugeln aus der Trommel ab.
»Ich fürchte eher, dass dein Freund und du etwas ziemlich Schlimmes getan habt«, sagte er. »Ich meine: Das ist doch deine Waffe, oder? Jedenfalls hat ein gewisser Hehler hoch und heilig versichert, er hätte sie dir verkauft … natürlich«, fügte er mit einem Lächeln hinzu, während er in die Tasche griff und eine zusammengefaltete Plastiktüte herausnahm, in die er den Revolver gleiten ließ, »kann man einem solchen Kriminellen nicht glauben, schon gar nicht, wenn sein Wort gegen das einer ehrbaren Bürgerin wie dir steht.«
»Natürlich nicht«, sagte Pia mit belegter Stimme.
Hernandez schloss
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