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Elfenblut

Elfenblut

Titel: Elfenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nicht in Worte kleiden, denn es war etwas, das sie noch nie zuvor gespürt hatte, und es war durch und durch grässlich; als hätte sich das Gewebe der Realität verändert und stülpe sich von innen nach außen. Für den Bruchteil einer Sekunde wurde es entsetzlich kalt, und die Luft, die sie zu atmen versuchte, schien sich in etwas anderes, etwas Blitzendes zu verwandeln. Unsichtbare Bänder schmiegten sich um ihre Glieder und verwandelten jede noch so winzige Bewegung in eine gewaltige Kraftanstrengung, und irgendetwas stimmte plötzlich mit den Schatten nicht mehr.
    »Was ist das?«, fragte sie erschrocken.
    »Netter Versuch«, sagte Hernandez, »aber du glaubst doch nicht wirklich, dass ich …«
    Alles geschah gleichzeitig, als wäre irgendetwas mit der Zeit passiert, sodass die Dinge in unterschiedlichen Geschwindigkeiten und zum Teil parallel zueinander abliefen und auch die Gesetze von Ursache und Wirkung keine Gültigkeit mehr zu haben schienen. Über ihnen gerann ein Stück der Nacht zu geflügelter Schwärze, Klauen und einem Ehrfurcht gebietenden Schnabel und stürzte auf Hernandez herab, und im gleichen Sekundenbruchteil erscholl auch hinter ihr ein krächzender Schrei und dann das dumpfe Krachen eines Gewehrs. Hernandez taumelte mit wirbelnden Armen zurück und versuchte irgendwie, sein Gesicht vor den Krallen des riesigen schwarzen Raben zu schützen, der ihn mit heftig schlagenden Flügeln attackierte, während Pia endlich nicht nur ihren Schrecken überwand, sondern all ihren Mut zusammenraffte, herumfuhr und sich gegen den Anblick Jesus’ wappnete, der mit weggeschossenem Gesicht auf dem Rücken lag.
    Jesus lag nirgendwo, sondern war verschwunden, und der Bursche, der ihn in Schach gehalten hatte, wälzte sich schreiend am Boden und hatte beide Hände vor das Gesicht geschlagen. Hellrotes Blut quoll so dünnflüssig wie Wasser zwischen seinen Fingern hindurch. Das Gewehr lag ein gutes Stück neben ihm im Schlamm, und der schwarze Riesenvogel hatte sich bereits wieder in die Luft geschwungen, flatterte mit zornig schlagenden Flügeln kaum eine Handbreit über sie hinweg und stürzte sich krächzend auf ein anderes Opfer. Hinter ihr schrien plötzlich Stimmen durcheinander. Glas zerbrach.
    Pia war mit einem einzigen Satz neben dem schreienden Burschen, verpasste ihm einen wuchtigen Tritt in die Rippen und stieß gleich darauf noch einmal mit dem Fuß zu, um das Gewehr davonzuschleudern. Einen der beiden Tritte bedauerte sie sofort, als ihr in den Sinn kam, dass sie im Moment eine Waffe ganz gut gebrauchen könnte, aber es war zu spät. Die Schrotflinte verschwand bereits über den Rand der Baugrube.
    Zwei schlammverkrustete, riesige Pranken tauchten aus der Tiefe auf, krallten sich in den weichen Lehm und hievten ein gewaltiges Schulterpaar und das zornigste Gesicht nach oben, das Pia jemals gesehen hatte. Trotzdem hätte sie vor Erleichterung beinahe laut aufgejauchzt. Ohne auch nur einen Gedanken an das zu verschwenden, was hinter ihr geschah, fiel sie auf die Knie, krallte die Hände in Jesus’ Jacke und zog und zerrte mit aller Kraft. Wie lächerlich. Wahrscheinlich behinderte sie ihn weitaus mehr, als sie ihm half, aber sie zerrte und riss weiter mit aller Gewalt und ignorierte die kreischende Stimme in ihrem Kopf, die ihr immer hysterischer zuschrie, wegzulaufen, solange sie es noch konnte.
    Zwei- oder dreimal rutschten Jesus’ Hände in dem aufgeweichten Lehm ab, aber schließlich gelang es ihm, sich über den Rand in die Höhe zu ziehen. Keuchend vor Anstrengung brach er auf die Knie, blieb eine Sekunde lang vornübergebeugt sitzen und sprang dann mit einem Ruck vollends auf die Füße. Plötzlich war er es, der Pia hochriss, statt umgekehrt.
    Hinter ihnen tobte ein bizarrer Kampf. Die beiden schwarzen Riesenvögel attackierten Hernandez und seine beiden ver bliebenen Schläger mit hackenden Schnäbeln und wild schlagenden Flügeln, und obwohl es nur Tiere und die Männer bewaffnet waren, vermochte Pia ganz und gar nicht zu sagen, wer diesen ungleichen Kampf gewinnen würde. Hernandez hockte auf den Knien und hatte beide Hände über den Kopf geschlagen. Er schrie. Sein Gesicht war voller Blut, die gewaltigen Krallen des Raben hatten seine Jacke aufgeschlitzt und auch in der Haut darunter tiefe blutige Furchen hinterlassen. Der Rabe stieß immer wieder auf ihn herab, hackte mit seinem schrecklichen Schnabel nach ihm, fuhr aber auch immer wieder herum, um den zweiten Mann zu attackieren,

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