Elfenblut
dankend ablehnen. Ich hatte genug Wasser für dieses Jahr.«
Pia sagte vorsichtshalber gar nichts dazu, sondern bedeutete Nani nur mit einem raschen Blick, dass alles in Ordnung war, und zog die Tür hinter sich zu, bevor sie sich dagegenlehnte und demonstrativ die Arme vor der Brust verschränkte. »Was ist los?«, fragte sie.
»Was los ist?« Alica funkelte sie noch wütender an und deutete mit beiden Händen an sich herab. »Schau mich an, und dann stell die Frage noch einmal! Und deine neue Busenfreundin glaubt anscheinend auch noch allen Ernstes, ich würde in diesem Zustand auf die Straße hinausgehen!«
Pia tat, worum Alica sie gebeten hatte, und musste sich ziemlich beherrschen, um ein Grinsen zu unterdrücken. Alica trug keinen der formlosen Säcke, die anscheinend den letzten Schrei der hiesigen Mode darstellten, sondern ein … Etwas, für das ihr trotz angestrengten Überlegens keine passende Bezeichnung einfiel. Außer, dass es scheußlich und augenscheinlich aus einem besonders groben Schmirgelpapier von vollkommen undefinierbarer Farbe geschneidert war und aussah, als wöge es ungefähr eine halbe Tonne. Ganz nebenbei war es ihr um mindestens drei Nummern zu klein, sodass es ihr fast die Luft abschnürte.
Es sah wirklich ein bisschen grotesk aus, aber zugleich konnte sich Pia auch nicht vorstellen, dass diese geschmackliche Entgleisung der einzige Grund für Alicas brodelnden Zorn war.
»Ich finde, es steht dir gut«, sagte sie feixend.
»Na, dann warte mal ab, bis du das Stück Haute Couture siehst, das sie für dich herausgesucht hat«, giftete Alica. »Dagegen ist dieser Fetzen hier geradezu sexy. Und das Ding stinkt, als wäre jemand darin gestorben!«
Was vermutlich der Fall war, dachte Pia, und vielleicht mehr als nur einer. »Aber das ist nicht der einzige Grund, aus dem du dich so aufregst«, vermutete sie.
»Hätte ich denn sonst noch einen?«, fragte Alica spitz. »Ich meine, außer dass ich fast von einem durchgehenden Stier zu Tode getrampelt worden wäre, jemand versucht hat, mir die Kehle durchzuschneiden, ich wieder mal um mein Leben rennen musste, in einen Brunnen gefallen bin und anschließend beinahe ertrunken und erfroren wäre, und meine angeblich beste Freundin es nicht einmal für nötig befunden hat, sich zu erkundigen, wie es mir geht? Habe ich was vergessen?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, sonst war nichts. Die Tage hier werden auch immer langweiliger, findest du nicht?«
Pia versuchte vergeblich, sich daran zu erinnern, wann sie Alica als ihre beste Freundin bezeichnet hatte, aber vermutlich war jetzt nicht der ideale Moment, um sie auf dieses Missverständnis hinzuweisen.
»Das mit dem Brunnen tut mir leid«, sagte sie. »Aber es war der einzige Weg.«
»Mich auf Eis zu legen?«
»In die Schatten zu fliehen«, antwortete sie.
»In die Schatten zu fliehen«, wiederholte Alica. »Kannst du dich noch ein bisschen verquaster ausdrücken?«
»Wenn ich mir ein bisschen Mühe gebe, bestimmt«, antwortete Pia. Zugleich wurde ihr klar, dass sie die Wahrheit gesagt hatte: Etwas in ihr hatte ganz instinktiv den einzigen Ort erkannt, an dem sie auf ihre Zauberkräfte zurückgreifen und in die Welt der Schatten fliehen konnte.
»Und was sonst noch?«, fragte sie.
»Findest du nicht, dass das für einen einzelnen Vormittag reicht?« Alica bückte sich, hob ein Bündel aus nassem Stoff auf und klatschte es auf den Tisch. Pia erkannte es erst auf den zweiten Blick als das Kleid, das sie bei ihrem Sturz in den Brunnen getragen hatte. Missmutig wickelte Alica es auseinander, und ihre drei größten Heiligtümer kamen zum Vorschein: ihr silbernes Zippo, das winzige Schminktäschchen und die hoffnungslos aufgeweichte Zigarettenpackung mit ihrer letzten Marlboro.
»Das Zippo kann man wahrscheinlich retten«, sagte sie unbeholfen. »Wenn du es gründlich trocknen lässt …«
»Und ich irgendwo einen Laden finde, der Feuerzeugbenzin verkauft.«
Pia überging diesen Einwand vorsichtshalber, gerade weil er berechtigt war. »Aber das ist doch nicht alles«, sagte sie. »Das da ist ärgerlich, okay, aber deswegen würdest du nicht so ausflippen.
»Wusstest du, dass deine neue Freundin vorhat, die Stadt zu verlassen – zusammen mit uns?«
»Sie hat es mir gerade gesagt«, antwortete Pia; was vielleicht nicht ganz der Wahrheit entsprach, ihr im Moment aber einfach klüger erschien.
»Und du weißt auch, wofür sie mich hält?«
»Nein«, antwortete Pia.
»Sie glaubt, ich
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