Elfenblut
bewundert. Die Gäste, die allabendlich den Weißen Eber stürmten, kamen ihretwegen.
Konnte es sein, dass Alica … eifersüchtig war?
Pia rief sich in Gedanken zur Ordnung. Sie hatte schon immer einen fatalen Hang dazu gehabt, Dinge unnötig zu verkomplizieren, und sie sollte sich hüten, das ausgerechnet jetzt zu tun. Wahrscheinlich war Alica einfach nur mies drauf, basta.
Sie fuhr noch einmal mit den flachen Händen über den Stoff ihres Kleides, das ihr kaum bis zur Mitte der Schienbeine reichte, und hoffte, irgendeine Veränderung zu spüren; was auch der Fall war. Sie hatte jetzt nicht mehr das Gefühl, dass es aus Beton gegossen worden war. Schon eher aus Stacheldraht gestrickt.
»Immerhin steht der Sommer vor der Tür«, sagte sie hilflos.
»Sommer?«
Warum sprach Alica das Wort eigentlich so aus, wie sie einen schlechten Scherz betont hätte?
»Also ich kenne da ein paar Gegenden auf diesem lauschigen Planeten – oder wenigstens auf dem, von dem wir kommen –, wo dieses Wort bedeutet, dass draußen nur behagliche dreißig Grad herrschen, statt der üblichen siebzig … unter null.«
Jetzt war es Pia, die nur mit einem unbehaglichen Brummen antwortete.
»Also gut«, sagte Alica. »Frieden?«
Pia nickte nur.
»Jetzt wird es anscheinend ernst, wie?«, fuhr Alica fort, nachdem sie einige weitere Augenblicke lang vergeblich auf eine Antwort gewartet hatte. »Wir können wohl kaum zurück zu Brack und so tun, als wäre gar nichts passiert.«
»Kaum.«
»Vielleicht hätten wir doch mit dem Comandante gehen sollen«, sinnierte Alica. »Dann wüssten wir wenigstens, woran wir sind.«
»Das meinst du nicht ernst.«
»Nein«, gestand Alica. »Ach verdammt, ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich meine! Ich weiß ja nicht einmal mehr genau, wer ich bin … oder du!«
»Dann geht es dir nicht besser als mir«, sagte Pia. »Aber eins weiß ich genau: Wir können nicht hierbleiben.«
»Ja, so weit waren wir schon ein paarmal«, sagte Alica säuerlich.
Pia lachte, eine Antwort, die Alica im ersten Moment völlig zu überraschen schien, denn sie sah sie verständnislos und mit offenem Mund an … aber dann stimmte sie darin ein, und es spielte überhaupt keine Rolle, dass dieses Lachen nicht nur vollkommen grundlos war, sondern auch einen leisen Unterton von Hysterie hatte. Es erleichterte einfach, und das war in diesem Moment alles, was zählte.
Ein zaghaftes Klopfen an der Tür riss sie in die Wirklichkeit zurück. Pia schenkte Alica ein abschließendes verschwörerisches Grinsen, machte auf und sah erwartungsgemäß auf Nanis zerfurchtes Gesicht hinab.
»Seid Ihr so weit, Er-«
Pia hob unwillig die Hand, und Nani verbesserte sich hastig.
»Herrin? Es wird allmählich Zeit.«
Pia wandte überrascht den Kopf. Das Zimmer hatte nur ein einziges, schmales Fenster, durch das nicht sonderlich viel Licht hereindrang; aber es war Tageslicht, und als sie in sich hineinlauschte, stellte sie fest, dass ihre innere Uhr wieder aufgetaut war und funktionierte. Bis Sonnenuntergang war noch eine gute Stunde Zeit.
Nani deutete ihre Bewegung richtig. »Die Soldaten durchsuchen die ganze Stadt«, sagte sie. »Sie werden bald hier sein. Aber ich kenne einen Ort, an dem wir sicher sind, wenigstens bis Sonnenuntergang. Es ist natürlich Eure Entscheidung«, fügte sie in demütigem Ton und mit einem noch demütigerem Senken des Hauptes hinzu.
»Eigentlich nicht«, sagte Pia.
»Herrin?«, fragte Nani verwirrt. Sie sah sie nicht an.
»Du kennst dich hier besser aus als ich«, sagte Pia. »Wenn du der Meinung bist, dass es besser wäre, von hier zu verschwinden, wie könnte ich dann etwas anderes sagen?«
»Herrin?«, fragte Nani verstört.
»Ich bin nicht deine Herrin «, antwortete Pia scharf. »Mein Name ist …« Sie wollte Pia sagen, aber natürlich kam das Wort Gaylen über ihre Lippen, was sie nur noch wütender machte. »– und ich bin dir sehr dankbar für das, was du für uns getan hast! Aber solange wir nicht wirklich wissen, ob ich die bin, für die du mich hältst, möchte ich nicht, dass du mich so behandelst! Ich bin keine … Göttin oder so was, und ich bin auch keine wiedergeborene Elfenprinzessin! Da, wo ich herkomme, bin ich nicht nur nichts Außergewöhnliches, sondern eher das Gegenteil!«
»Herrin?«, flüsterte Nani.
»Ich bin eine ganz gewöhnliche Diebin!«, sagte Pia. »Ich bin weniger als die meisten deiner Freunde! Was muss ich noch tun, damit du aufhörst, vor mir im Staub zu
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