Elfenblut
schwerer, als Alica sich nach einem Moment fluchend aufrappelte und dabei noch einmal und diesmal tatsächlich mit dem Gesicht voran in den Morast fiel.
Mit dem zweiten Anlauf gelang es ihr tatsächlich, auf die Füße zu kommen. »Witzig«, sagte sie, spuckte einen Mundvoll Schlamm aus und fuhr sich mit dem Handrücken durch das Gesicht, ohne dessen Anblick dadurch wesentlich zu verbessern. »Wirklich, un-ge-heu-er witzig.«
»Finde ich schon«, feixte Pia.
»Ach?« Wenigstens Alicas Augen waren in der schwarzen Schlammpackung unter ihrer Kapuze zu sehen. Sie schossen kleine feurige Blitze in ihre Richtung ab. »Der Erste, der lacht, ist tot!«, versprach sie grimmig. »Übersetz das ruhig.«
Pia verzichtete vorsichtshalber darauf, doch sie war sicher, dass die anderen ihre Worte trotzdem verstanden hatten. Niemand lachte – wenigstens nicht laut –, aber Lasar drehte sich hastig weg, als Alica ihn herausfordernd anfunkelte, und auch die anderen senkten hastig die Blicke oder wirkten mit einem Mal furchtbar beschäftigt, ohne wirklich etwas zu tun.
Dann erscholl hinter ihnen doch ein dunkles, kehliges Lachen, und als Pia alarmiert herumfuhr, trat eine hochgewachsene Gestalt aus den Schatten des Waldrandes. Er musste entweder lebensmüde sein, dachte Pia, oder ganz besonders mutig – was bei Alicas momentaner Stimmung mehr oder weniger auf dasselbe hinauslief.
»Ich fürchte, da hilft nur noch abladen. Ich helfe euch, wenn ihr es wünscht.«
Die Gestalt kam näher, und Pia fuhr leicht erschrocken zusammen, als ihr zweierlei auffiel, und das eine war so beunruhigend wie das andere: Der Mann war mindestens so groß wie sie, wenn nicht größer, und überaus kräftig gebaut, und er trug eine Art von Kleidung, die ihr nur zu unangenehm vertraut vorkam: Helm, Harnisch und Mantel der Stadtgarde von WeißWald.
Und seine Stimme … kam ihr irgendwie bekannt vor, auch wenn sie zugleich wusste, dass das ganz und gar unmöglich war.
Auch Lasar und Nanis Söhne waren beim Klang der Stimme erschrocken zusammen- und herumgefahren, und für einen Moment war die Spannung, die in der Luft lag, fast mit Händen zu greifen. Lasar trat mit einem raschen Schritt zwischen sie und den gepanzerten Riesen, und in seiner rechten Hand erschien wie durch Zauberei ein winziges Messer. Angesichts des Giganten, der ihn um fast einen halben Meter überragte, wirkte es nicht einmal mehr rührend, sondern einfach nur komisch, aber Pia empfand trotzdem ein Gefühl warmer Dankbarkeit … allerdings nur für eine einzelne Sekunde.
Dann trat der Fremde einen weiteren Schritt auf sie zu, und sie konnte sein Gesicht erkennen und spürte, wie sie innerlich zu Eis erstarrte. Neben ihr stieß Alica so erschrocken die Luft zwischen den Zähnen aus, dass es wie ein kleiner Schrei klang, und auch Nani kam mit schnellen Schritten herbei.
Ihre Reaktion war allerdings ganz anders. Sie wirkte ebenso angespannt und alarmiert wie alle anderen, und auch in ihrer Hand blitzte etwas, das verdächtig nach einer Waffe aussah …doch dann riss sie die Augen auf und schien zwar beinahe noch überraschter, das aber auf eine durchaus angenehme Art.
»Lion?«, murmelte sie.
Der Riese machte einen weiteren Schritt, blieb wieder stehen und nahm den Helm ab, und Pias allerletzte Hoffnung, sich getäuscht zu haben oder nur dem schlechten Licht und einer zufälligen Ähnlichkeit aufgesessen zu sein, zerplatzte endgültig, als sie sein Gesicht aus der Nähe sah.
»Wenn das nicht Naninaranat ist, wie sie leibt und lebt«, sagte er lächelnd, deutete eine übertriebene Verbeugung in Nanis Richtung an und drehte sich dann zu Pia um. »Und Ihr müsst Gaylen sein, Erhabene«, sagte er, zwar in durchaus ehrfürchtigem (oder doch wenigstens respektvollem) Ton, aber auch ohne dass das Funkeln von gutmütigem Spott ganz aus seinen Augen gewichen wäre. »Ihr kennt mich nicht, aber ich glaube, wir haben eine Verabredung. Mein Name ist Lion. Ter Lion.«
Pia hörte die Worte kaum, und wenn, dann sagten sie ihr nichts. Sie starrte in das vertraute Gesicht hinauf und lauschte dem Klang der ebenso vertrauten Stimme. Ihr Verstand versuchte immer lauter und hysterischer, sie davon zu überzeugen, dass das, was sie sah, vollkommen unmöglich war.
»Jesus?«, murmelte sie fassungslos.
XXVIII
H interher kam es ihr vor, als hätte es eine Stunde gedauert, in der sie einfach nur dagestanden und das so vertraute Gesicht unter dem stoppelkurz geschnittenen schwarzen Haar angestarrt
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