Elfenblut
einzigen, wenn auch sehr breiten Durchgang, wo ein Pfad durch den Wald geschlagen worden war, und er wurde von mindestens einem Dutzend Soldaten der Stadtgarde bewacht, die den Wagen zwar einfach durchwinkten, ohne ihn anzuhalten oder gar seine Ladung zu untersuchen, aber nicht mit misstrauischen Blicken geizten – die vor allem Alica und sie trafen.
Sie kamen kaum noch von der Stelle. Der Pfad war breit genug, um drei Wagen wie dem ihren nebeneinander Platz zu bieten, aber hunderte Räder und tausende Hufe hatten ihn in schlammigen Morast verwandelt, in dem der Wagen fast bis zu den Achsen versank und mehr als einmal ganz stecken zu bleiben drohte. Die Kraft des Ochsen allein reichte längst nicht aus, um ihn immer wieder weiterrollen zu lassen. Nani und ihre ganze Familie und schließlich auch Alica und sie griffen nach Kräften mit zu und zogen und stießen und zerrten, und kurz bevor sie das Ende des Pfades erreichten, machte Pias Herz noch einmal einen erschrockenen Satz bis in ihren Hals hinauf, als sich zwei oder drei von Istvans Soldaten des Anblickes erbarmten und wortlos hinzutraten. Um ihnen zu helfen.
Doch irgendwann war auch das vorbei. Die letzten Bäume des Schlingwalds blieben hinter ihnen zurück, und unter den Rädern des Wagens war jetzt zwar noch immer kein fester Boden, aber wenigstens auch kein dünnflüssiger Morast mehr, der sein Möglichstes tat, sie direkt bis zum Mittelpunkt der Erde hinabzusaugen. Die Soldaten verschwanden so wortlos und schnell, wie sie aufgetaucht waren, und warteten nicht einmal auf ein Wort des Dankes (so, wie sie Nani einschätzte, hätten sie es auch nicht bekommen), und der Wagen rumpelte noch ein kleines Stück weiter und geriet noch einmal bedrohlich ins Wanken, als Nanis Söhne ihn von dem aufgeweichten Pfad herunter und auf den steinhart gefrorenen Boden daneben zu bugsieren versuchten.
Sie hatten es fast geschafft, als der Wagen nicht nur endgültig stecken blieb, sondern sich auch mit einem bedrohlichen Ächzen zur Seite zu neigen begann. Nani und ihre Söhne vermochten die drohende Katastrophe im letzten Moment zwar zu verhindern, aber der Wagen kam mit einem Ruck zum Stehen, der für Pia etwas unangenehm Endgültiges hatte. Sie konnte sehen , wie die Hinterräder mit einem glucksenden Geräusch zuerst bis zu den Achsen und dann noch ein gutes Stück weiter einsanken, und ein Teil der Ladung verrutschte endgültig und polterte auf den Boden herab.
»Na wunderbar«, nörgelte Alica. »Genau das, was uns jetzt noch gefehlt hat.«
Treffender hätte Pia es auch nicht ausdrücken können. Sie maß den leicht schräg stehenden Wagen mit einem langen, missmutigen Blick, griff aber nur schweigend mit zu, als sich Lasar und Nanis Söhne um die Hinterräder versammelten und mit aller Gewalt daran zu ziehen begannen. Nani zerrte am Geschirr des Ochsen und bedachte das Tier zusätzlich mit einem ganzen Schwall wüster Beschimpfungen und Drohungen. Der Wagen begann noch stärker zu ächzen; ein Geräusch, in das sich jetzt auch ein anderer, bedrohlicherer Laut mischte, der Pia an zerbrechendes Holz und überlastete Verbindungen denken ließ. Die Ladung verrutschte weiter und befand sich jetzt in einer Schräglage, die eigentlich schon den Gesetzen der Physik spottete. Pia konnte hören, wie die straff gespannten Seile unter der Belastung zu summen begannen.
»Das hat keinen Sinn.« Sie ließ die Speiche los, an der sie ebenso vergeblich gezerrt hatte wie alle anderen. Der Wagen saß so unverrückbar fest, als wäre er einbetoniert. »Ohne Hilfe bewegt sich das Ding keinen Zentimeter mehr.«
Lasar nickte betrübt, und auch Nanis Söhne sahen ziemlich niedergeschlagen aus, aber Alica schüttelte nur grimmig den Kopf. »Blödsinn!«, fauchte sie. »Ich kapituliere doch nicht vor so ein bisschen Matsch! Los! Wir sind doch viel stärker als diese Zwerge!« Pia sah sie verstört an, und Alica machte ein noch grimmigeres Gesicht, griff mit beiden Händen nach einer Speiche und stemmte die Füße in den Boden. Wenigstens versuchte sie es. Zu ihrem Pech war der Boden nicht fest, sondern hatte eher die Konsistenz von dünnflüssiger Schmierseife. Der Wagen rührte sich nicht einmal um einen Millimeter, aber Alicas Füße rutschten nach hinten weg, und sie fiel mit einem lautstarken Platschen der Länge nach in den Schlamm.
Pia brachte es irgendwie fertig, nicht laut loszubrüllen, aber sie hätte beim besten Willen nicht sagen können, wie, und es fiel ihr sogar noch
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