Elfenblut
letzten von Hernandez’ Männern zuzuwenden. Pia konnte nicht erkennen, was er tat, aber nur einen Augenblick später sackte der Mann zu Boden und rührte sich nicht mehr. Dieser Teil des bizarren Kampfes hatte vielleicht zwei Sekunden gedauert.
Fast schon gelassen, trotzdem aber sehr schnell drehte sich der Fremde herum, hob sein Schwert auf und schüttelte mit einer ruckhaften Bewegung das Blut von der Klinge, bevor er es in die Scheide an seinem Gürtel schob. Dann drehte er sich zu ihr um und lächelte sie an, flüchtig und auf eine Art, die besorgt, leicht missbilligend und beinahe ein wenig ehrfürchtig zugleich wirkte.
»Wer … sind Sie?«, fragte Pia stockend. Dass dieser Kerl ihnen gerade das Leben gerettet hatte, beruhigte sie nicht im Mindesten; sie hatte gesehen, wozu er fähig war.
»Nicht jetzt«, antwortete er rasch. »Ihr solltet jetzt gehen, Gaylen. Jemand könnte den Lärm gehört haben.«
»Wie haben Sie mich genannt?«, fragte Pia verstört. »Ich bin nicht Gaylen. Und wer zum Teufel sind Sie, und was …?«
Der Mann mit dem silbernen Helm brachte sie mitten im Satz zum Verstummen, indem er sie gerade hart genug am Arm ergriff, dass es noch nicht wirklich wehtat, seine Entschlossenheit aber deutlich machte, und sie mit einem Ruck umdrehte. Unter so ziemlich allen anderen nur denkbaren Umständen wäre das für Jesus vermutlich Anlass genug gewesen, ihm mindestens die Hand zu brechen, mit der er sie so unsanft angefasst hatte – oder ihm gleich den Arm auszureißen, je nach Tagesform –, aber jetzt rührte er keinen Finger. Wahrscheinlich war er viel zu schockiert, um auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.
»Später, Gaylen«, bekräftigte der Fremde seine Worte. »Jetzt bringt Euch in Sicherheit. Ich folge Euch, sobald ich hier fertig bin.«
Fertig?, dachte Pia entsetzt. Womit? »Sie haben doch nicht etwa vor …?«
»Geht!«, herrschte der Fremde sie an. »Sofort!«
Ein Schuss krachte, laut wie ein Kanonenschlag und nahe genug, um sie den Kordit der Mündungsflamme riechen zu lassen. Die Kugel stanzte unmittelbar neben dem Fremden ein fast faustgroßes Loch in die morsche Bretterwand und spickte seine Wange mit Holzsplittern und Ruß, und Pia prallte entsetzt zurück und starrte Hernandez an, der sich mit schmerzverzerrtem Gesicht halb an der gegenüberliegenden Wand in die Höhe geschoben hatte. Sein Gesicht und seine verstümmelte Hand bluteten um die Wette, aber mit der anderen hatte er den Revolver aufgehoben, zielte auf den Fremden und drückte genau in diesem Moment zweimal kurz hintereinander ab. Die erste Kugel traf den ziselierten Harnisch, dellte ihn ein und prallte unglaublicherweise davon ab, um ungefähr zwei Zentimeter an Pias Wange vorüberzujaulen; die zweite traf seine Schulter, durchschlug sie ohne die geringste Mühe und stanzte ein weiteres Loch in die Bretterwand hinter ihm, und die pure Wucht der beiden Treffer schleuderte den Mann zurück und mit solcher Gewalt gegen die Wand, dass sie von oben bis unten riss. Er fiel nicht, aber bevor er sein Gleichgewicht endgültig zurückgewinnen konnte, drückte Hernandez zum vierten Mal ab, und diesmal durchschlug die Kugel seinen Oberschenkel. Blut floss in Strömen, und zum ersten Mal erschien ein Ausdruck von Schmerz auf den edlen Zügen des Mannes. Allerdings stürzte er immer noch nicht.
Stattdessen rappelte er sich endgültig hoch, versetzte Pia einen Stoß, der sie haltlos zwei oder drei Schritte weit zurück und gegen Jesus torkeln ließ, und schrie noch einmal: »Lauft! Benutzt das Tor!«
Was immer er auch damit meinte – Pia hatte endgültig genug gesehen, wirbelte auf dem Absatz herum und stürzte los, und sie sah noch in der Bewegung, wie sich der Fremde mit ausgebreiteten Armen auf Hernandez warf. Hinter ihnen peitschte ein weiterer Schuss durch die Gasse, als Jesus und sie nebeneinander losstürmten. Er klang sonderbar gedämpft. Dann krachte es noch einmal, aber Pia sah nicht mehr zurück. Sollten sich diese beiden Wahnsinnigen doch gegenseitig umbringen, wenn es Ihnen Spaß machte! Ihr sollte es recht sein, solange es Jesus und ihr die Gelegenheit verschaffte, von hier zu verschwinden!
Sie erreichten das Ende der Gasse, hasteten wahllos nach links und fanden sich in einer schmalen Lücke zwischen den heruntergekommenen Gebäuden wieder. Vor ihnen war kein Licht mehr. Sie waren in eine Sackgasse gerannt.
Pia fluchte lauthals, machte auf dem Absatz kehrt und prallte mitten in der Bewegung abermals
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