Elfenblut
sondern auch ihn selbst.
»Und das ist alles?«, fragte er schließlich.
Mit Ausnahme einer hässlichen Episode in einem nicht weniger hässlichen Hotelzimmer, ja, dachte Pia.
Aber das ging ihn nun wirklich nichts an. Sie nickte.
»Dann hat er eindeutig Karriere gemacht«, sagte Istvan, nachdem er sie eine weitere kleine Ewigkeit lang durchdringend angestarrt hatte. »Heute ist er der Kriegsherr der südlichen Stämme. Und es vergeht kein Jahr, in dem sich ihm nicht weitere Horden anschließen.«
»Und das ist eine Gefahr für euch?«
»Gefahr?« Istvan schien einen Moment angestrengt über dieses Wort nachzudenken. »Nein. Aber ein Problem. Und wenn es so weitergeht, irgendwann … wer weiß?«
»Und was will er dann von mir?«, fragte Pia.
Istvan sah sie lange und sehr ernst an. »Wäre es nicht eher an Euch, mir diese Frage zu beantworten, Erhabene? Nandes mag vieles sein, aber eines ist er ganz gewiss nicht: dumm. Ohne Grund hierherzukommen und das Risiko einzugehen, festgenommen und hingerichtet zu werden, wäre dumm. Und er tut nichts ohne Grund.« Seine Stimme wurde eindringlich. »Ich weiß, dass Ihr mir nicht traut, Gaylen, und bis zu einem gewissen Punkt kann ich das sogar verstehen und akzeptieren.
»Und dieser Punkt heißt Hernandez?«, vermutete Pia.
»Was immer Ihr von ihm und seinen Plänen wisst, Ihr solltet es mir sagen. Nandes ist ein gefährlicher Mann. Es heißt, dass er sogar mit den Orks aus den kalten Ländern in Verhandlung steht, um sie in sein unseliges Bündnis mit aufzunehmen. Geriete ihm Eure Macht in die Hände, wären die Folgen unausdenkbar! Und glaubt mir, auch für Euch! Was immer auch in der Hauptstadt mit Euch geschehen mag, es ist nichts gegen das, was Nandes Euch antun wird!«
Das Schlimme war, dass er recht hatte, dachte sie niedergeschlagen. Sie schwieg.
»Nun, diese Neuigkeit lässt so manches in einem anderen Licht erscheinen«, fuhr Istvan fort, nachdenklich und besorgt zugleich. Er stand auf. »Ich fürchte, wir müssen unser Gespräch bei einer anderen Gelegenheit fortsetzen. Ich habe über das eine oder andere nachzudenken. Ihr entschuldigt mich?«
»Selbstverständlich«, sagte Pia. Was hätte sie auch sonst antworten sollen? Weshalb Istvan auch immer wirklich gekommen war, er würde es ihr jetzt gewiss nicht mehr sagen.
»Darf ich noch eine Bitte äußern?«
»Sicher.«
»Lasar«, sagte Pia. »Ich würde ihn gerne sehen.«
»Das geht nicht«, antwortete Istvan bedauernd. »Er würde es nicht überleben, wenn wir ihn hierherbringen würden.«
»Dann bringt mich zu ihm«, bat Pia, bekam aber auch jetzt nur ein weiteres Kopfschütteln zur Antwort. »Ich fürchte, auch das geht nicht, Erhabene. Vielleicht … später. Morgen möglicherweise.«
Morgen, dachte Pia bitter. Ja, morgen. Falls er dann noch lebte.
Und sie.
XXXI
D er nächste Tag kam und ging, und sie wurde nicht zu Lasar gebracht, und auch Istvan kehrte nicht zurück, um das unterbrochene Gespräch fortzusetzen. Nur die alte Heilerin besuchte sie, einmal um ihr frische Kleider zu bringen und ihre Wunden zu versorgen, und dann noch zweimal, um ihr zu essen zu bringen.
Darüber hinaus kam ihr der Tag erstaunlich kurz vor; was daran lag, dass sie ihn zum allergrößten Teil schlafend verbrachte. Eingedenk der Tatsache, dass sie auch die drei Tage zuvor durchgeschlafen hatte, kam ihr das selbst ein wenig seltsam vor, aber sie war (und blieb) schrecklich müde, und mehr als einmal beschlich sie der Verdacht, dass Varga bei dieser unnatürlichen Müdigkeit ihre Hand im Spiel haben könnte. Die alte Heilerin antwortete auf ihre entsprechenden Fragen jedoch genau wie auf alle anderen – nämlich gar nicht –, und letzten Endes war es ihr auch gleich, ob Varga tatsächlich einen Abstecher in ihren Kräutergarten gemacht hatte oder ihr Körper einfach sein Recht verlangte. Diese Art von Schlaf war anders. Pia spürte (sogar während sie schlief), wie ihre Kräfte zurückkehrten und ihre Verletzungen heilten. Als Varga am darauffolgenden Morgen kam, um ihre Verbände zu wechseln, war sie selbst nicht annähernd so überrascht wie die alte Frau. Sämtliche kleineren Schrammen und blauen Flecke waren einfach verschwunden, und selbst die tiefen Wunden, die die Handschellen in ihre Gelenke gerissen hatten, begannen schon sichtbar zu heilen. Varga starrte ihre Arme geschlagene fünf Sekunden lang an und danach noch länger und mit vollkommen anderem Ausdruck ihr Gesicht, aber sie sagte nicht einmal dazu
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